Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 20
Das türkische Gesellschaftsrecht ähnelt, was die Gesellschaftsformen angeht, in großen Teilen dem deutschen Gesellschaftsrecht mit seinen klassischen Gesellschaftsformen. In der Türkei noch nicht bekannt ist die Partnerschaftsgesellschaft; es ist auch nicht abzusehen, ob mit der Einführung dieser Form zu rechnen ist. Da die Türkei der EU noch nicht beigetreten ist, fehlen die europäischen Gesellschaftsformen wie die Europäische Wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV) und die Europäische Aktiengesellschaft. Seit Inkrafttreten des neuen HGB am 1.7.2012 ist die Ein-Personen-Gesellschaft zugelassen. Das neue HGB ist zwar auch mit Blick auf das EU-Recht erlassen worden, in der amtlichen Begründung wird jedoch immer wieder auf das Vorbild der Gesellschaftsrechtsreform in der Schweiz hingewiesen.
Rz. 21
Juristische Personen des Privatrechts finden sich in verschiedenen Gesetzen. Rechtsquellen sind insbesondere für Handelsgesellschaften das türkische Handelsgesetzbuch (HGB), das dazugehörige Einführungsgesetz (EinfG HGB), für Gesellschaften bürgerlichen Rechts das Obligationengesetz (OGB), für Stiftungen und Vereine neben dem Zivilgesetzbuch (ZGB), das die grundsätzlichen Fragen regelt, das Stiftungsgesetz bzw. das Vereinsgesetz. Auch die Genossenschaften sind in einem eigenen Gesetz geregelt.
Rz. 22
Allen Handelsgesellschaften nach dem türkischen HGB ist gemeinsam, dass sie ihre Rechtspersönlichkeit durch Eintragung in das Handelsregister erwerben. Das Handelsregister wird bei der örtlichen Handelskammer geführt (Art. 24 HGB). Die Aufzählung der Typen der Handelsgesellschaften in Art. 124 HGB ist abschließend. Die Handlungen der Handelsgesellschaften sind strikt an das Gesetz und den Gesellschaftsvertrag gebunden, Abweichungen führen zur Nichtigkeit der betreffenden Rechtshandlungen. Die Gründung von Handelsgesellschaften erfolgt auf der Grundlage eines schriftlich abgefassten Gesellschaftsvertrags (Satzung), eine formale Minimalanforderung ist – unter Vorbehalt strengerer Formen für einzelne Gesellschaften bzw. deren Akte – die notarielle Beglaubigung der Unterschriften der Gesellschafter.
Rz. 23
Besondere Gesetze schreiben für bestimmte Unternehmen die Form der AG vor: das Kapitalmarktgesetz (Börsengesetz), die Gesetze zu den Leasing-, Factoring- und Finanzierungsgesellschaften, zu den Versicherungen und Banken (einschließlich der "Finanzinstitute") und zur Zentralbank sowie das Rundfunk- und Fernsehgesetz (RundfunkG). Für Verschmelzungen und Übernahmen, die im HGB geregelt sind, muss das Wettbewerbsgesetz (KartellG) beachtet werden, das Melde- und Genehmigungserfordernisse und somit unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen die Mitwirkung der Wettbewerbsbehörde vorsieht.