Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 64
Wie für die Aktiengesellschaft gem. Art. 331 HGB gilt auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dass sie jede wirtschaftliche Tätigkeit ausüben dürfen, die nicht einem gesetzlichen Verbot unterliegt (Art. 573 Abs. 3 HGB). Die Tätigkeiten einer GmbH müssen also auf rechtlich zulässige wirtschaftliche Tätigkeiten gerichtet sein. Mit der Rechtsform der GmbH können keine nicht wirtschaftlichen Zwecke verfolgt werden. Die Konstruktion der gemeinnützigen GmbH ist dem türkischen Recht daher unbekannt; Gleiches gilt für die Stiftungs-GmbH. Denkbar ist dagegen lediglich (vgl. ausdrücklich Art. 16 Abs. 2 HGB) die Gründung eines Vereins oder einer Stiftung, der/die auch ein Handelsunternehmen betreiben darf, ohne dadurch selbst zum Kaufmann zu werden. Voraussetzung ist, dass mindestens die Hälfte der Einnahmen im öffentlichen Interesse – also zu gemeinnützigen Zwecken – ausgegeben wird.
Rz. 65
Ausgeschlossen sind für die GmbH Gesellschaftszwecke aus dem Bereich Banken und Versicherungen. Banken und Finanzinstitute können nur als Aktiengesellschaft gegründet werden. Gleiches gilt auch für Versicherungen, die gem. Art. 3 des Gesetzes über das Versicherungswesen nur als Aktiengesellschaft oder als Genossenschaft (Versicherung auf Gegenseitigkeit) gegründet werden dürfen. Ferner dürfen auch Leasing-, Factoring- und Finanzierungsgesellschaften nur als Aktiengesellschaft mit mindestens fünf Gesellschaftern errichtet werden (Art. 5 des Gesetzes über Leasing-, Factoring- und Finanzierungsgesellschaften). Im Sektor Rundfunk und Fernsehen ist die Gründung von GmbHs ebenfalls nicht möglich; die Sendeerlaubnis setzt die Gründung einer Aktiengesellschaft voraus, die ausdrücklich und ausschließlich den Zweck haben muss, eine Tätigkeit in den Bereichen Medien, Bildung und Kultur aufzunehmen, wobei sie dann nicht mehr als eine Radio- oder Fernsehstation gründen darf (Art. 29 lit. b RundfunkG).
Rz. 66
In der Praxis wird der Gesellschaftszweck – obwohl das HGB von 2012 den Gründern ausdrücklich mehr Freiheiten lässt (Art. 576 HGB: zwingend aufzunehmen sind die "wesentlichen" Zwecke und Gegenstände) – in der Satzung sehr ausführlich dargestellt. Dahinter steckt nach wie vor die unbegründete Befürchtung, zu wenig ausführliche Satzungen könnten unkontrollierbare Haftungssituationen herbeiführen. Auch die einzelnen Handlungsbefugnisse werden sehr ausführlich dargestellt. Fehlt etwa der "Kauf und Verkauf von Kraftfahrzeugen", wird befürchtet, dass derjenige, der das Kraftfahrzeug für sein Unternehmen kauft, selbst in die Haftung gerät oder gar die Eintragung auf das Unternehmen verweigert wird. Dies sollte allerdings mit dem Art. 576 HGB ausgeschlossen sein. Kurzsatzungen, wie sie in Deutschland üblich sind, sind in der Türkei derzeit noch nicht durchsetzbar. Aber auch überlange Satzungen sind nicht gerne gesehen und können zu Schwierigkeiten bei der Eintragung in das Handelsregister führen. Die Praxis geht daher dahin, die durch das Ministerium zur Verfügung gestellten Mustersatzungen zu verwenden und die für die Parteien wesentlichen Abweichungen, Einschränkungen oder Ergänzungen gegenüber der Gesetzeslage in möglichst knapper und klarer Form in die Satzung zu schreiben. Komplexere Regelungsinhalte sollten in eine schuldrechtliche Rahmenvereinbarung aufgenommen und über Vertragsstrafen- oder Entschädigungsregelungen abgesichert werden.