I. Verlobung
Rz. 3
Das Verlöbnis wird im türkischen Recht durch das Eheversprechen begründet. Im Falle des Bestreitens muss das Verlöbnis glaubhaft gemacht werden. Minderjährige oder Entmündigte werden nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter durch die Verlobung verpflichtet. Das Zusammenleben mit einer Minderjährigen wird nicht als Verlobung angesehen, sondern als unerlaubte Handlung qualifiziert. Da das Verlöbnis ein Eheversprechen ist, sind die absoluten Ehehindernisse auch als absolute Verlöbnishindernisse zu betrachten (siehe Rdn 17). Das Verlöbnis ist im türkischen Recht genauso wie die Eheschließung ein Persönlichkeitsrecht und setzt stets einen eigenen Willen des Betroffenen voraus. Ist eine der Parteien urteilsunfähig (Art. 13 türkZGB), ist das Verlöbnis ungültig, selbst wenn die Urteilsunfähigkeit vorläufiger Natur ist.
Rz. 4
Das Verlöbnis hat wichtige Nebenfolgen: Das Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 245 Nr. 1 türkZPO; Art. 47 türkStPO). Die Verlobte gilt im türkischen Recht als Angehörige (yakin) und hat im Falle des Todes ihres Verlobten durch eine unerlaubte Handlung sowohl materielle (Art. 45 Abs. 1 und 2 türkOGB) als auch immaterielle Schadensersatzansprüche (Art. 47 türkOGB).
Rz. 5
Das Verlöbnis begründet keinen einklagbaren Anspruch auf Eingehung der Ehe. Ein Schadensersatz oder eine Vertragsstrafe, die für das Unterbleiben der Eingehung der Ehe vorgesehen sind, ist nicht einklagbar; dennoch geleistete Zahlungen können nicht zurückgefordert werden.
Rz. 6
Allerdings können durch die Auflösung des Verlöbnisses mögliche Ansprüche auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens entstehen. Der Verlobte, der den Verlöbnisbruch verschuldet, hat dem anderen einen angemessenen Schadensersatz sowohl für die Aufwendungen der Verlobung als auch für die Ausgaben und finanziellen Opfer zu leisten, die gutwillig und zum Zwecke der Eheschließung erbracht worden sind. Die genannten finanziellen Leistungen müssen nicht nur zum Zwecke der Eheschließung, sondern auch gutwillig bzw. in gutem Glauben geleistet sein. Deshalb müssen diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Dieser materielle Schadensersatzanspruch steht den Eltern des Schadensersatzberechtigten oder den Personen, die wie seine Eltern handeln, unter denselben Voraussetzungen ebenfalls zu.
Rz. 7
Der Verlobte, dessen Persönlichkeitsrecht durch den Verlöbnisbruch verletzt ist, kann vom anderen, der den Verlöbnisbruch verschuldet hat, eine Geldleistung in angemessener Höhe als Ersatz für immateriellen Schaden fordern. Art. 121 türkZGB wurde dahingehend formuliert, dass der Ersatz für immaterielle Schäden in einer "angemessenen Geldsumme" besteht. Auf die Schwere der Verletzung des Persönlichkeitsrechts kommt es dabei nicht an.
Rz. 8
Die Rückerstattung von Geschenken wurde im Sinne der bisherigen Rechtsentwicklung in Art. 122 türkZGB konkretisiert. Die Geschenke, die keine gewöhnlichen Gelegenheitsgeschenke darstellen, können sowohl von den Verlobten als auch von den Eltern oder von den Personen, die wie Eltern handeln, zurückgefordert werden. "Gewöhnliche Gelegenheitsgeschenke" sind solche, die nach den örtlichen Sitten und Gebräuchen als solche gelten und in ihrem finanziellen Wert nicht im Missverhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schenkenden stehen.
Rz. 9
Gemäß Art. 123 türkZGB verjähren die Ansprüche aus dem Verlöbnis mit Ablauf eines Jahres nach der Auflösung. Der Tatbestand der Beendigung der Verlobung umfasst neben der Auflösung der Verlobung auch andere Gründe, wie z.B. Tod oder Verschollenheit.
Rz. 10
Kollisionsrechtliche Behandlung des Verlöbnisses: Für jede Partei ist ihr Heimatrecht für die Voraussetzungen maßgebend (Art. 12 Abs. 1 türkIPRG). Auf die Wirkungen und Folgen des Verlöbnisses wird das gemeinsame Heimatrecht und, wenn die Verlobten verschiedene Staatsangehörigkeiten besitzen, das türkische Recht angewandt (Art. 12 Abs. 2 türkIPRG).