Rz. 30
Mit der Scheidung entfällt i.d.R. das Ehegattenerbrecht. "Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht und können aus Verfügungen von Todes wegen, die sie vor der Scheidung errichtet haben, keine Ansprüche erheben, sofern aus der Verfügung nicht das Gegenteil hervorgeht" (Art. 181 ZGB).
Rz. 31
Diesem Artikel wurde ein zweiter und aus meiner Sicht etwas problematischer Absatz zugefügt: "Führt einer der Erben nach dem Tod des Erblassers während des Scheidungsverfahrens das Scheidungsverfahren fort, und wird das Verschulden des Beklagten nachgewiesen, so gilt auch in diesem Falle der vorstehende Absatz." Es ist ein eigenartiges Rechtsverständnis, dass die Erben des Verstorbenen stellvertretend die Scheidungsklage weiterbetreiben können. Der Gesetzgeber begründet diese Regelung damit, dass es hier nicht um die Scheidung geht, sondern um die Feststellung des Verschuldens, damit der Beklagte, der mit Ehebruch, versuchtem Mord, Misshandlung oder unehrenhafter Lebensführung die Ehe zum Scheitern gebracht hat, nicht Erbe des Klägers werden darf. Hiergegen kann eingewandt werden, dass der Gesetzgeber in diesem Fall mit den Regelungen über Enterbung (Art. 510 ZGB) und Erbunwürdigkeit (Art. 578 ZGB) bedient ist.
Rz. 32
Der zweite Schwachpunkt dieses Absatzes besteht darin, dass einfach vom "Verschulden" des Beklagten gesprochen wird. Ein Blick in den Art. 174 ZGB zeigt, dass der Gesetzgeber mit der Partei, die die Scheidung verschuldet (kusurlu taraf), die Partei meint, die überwiegend die Scheidung verschuldet hat, weil die andere Partei als Partei, die die Scheidung weniger verschuldet hat (daha az kusurlu taraf), bezeichnet wird. Dieser Vergleich zeigt, dass die Formulierung in Art. 181 Abs. 2 ZGB ein Missgriff des Gesetzgebers ist, der nicht einmal dem Verschuldensprinzip der Gesetzessystematik gerecht geworden ist. Hier muss m.E. das Verschulden des überlebenden Ehegatten so schwer wiegen, dass es die Voraussetzungen der Enterbung (Art. 510 ZGB) und Erbunwürdigkeit (Art. 578 ZGB) erfüllt.
Rz. 33
Auch eine richterlich angeordnete Trennung (Art. 170–172 ZGB) hat keinen Einfluss auf die Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten (Art. 156 ZGB, vgl. Art. 109 Abs. 1 schwZGB).
Rz. 34
Eine mit Ungültigkeit (nisbi butlan) oder unbefristeter Ungültigkeit (mutlak butlan) behaftete Ehe wird erst mit gerichtlichem Urteil aufgelöst und hat alle Wirkungen einer gültigen Ehe. Die Ungültigkeitsklage kann nicht von den Erben erhoben werden. Jedoch können diese an der bereits erhobenen Klage festhalten. Wird durch das Urteil festgestellt, dass der überlebende Ehegatte bei der Eheschließung nicht in gutem Glauben war, kann er nicht gesetzlicher Erbe werden und verliert die Rechte aus einer vorherigen letztwilligen Verfügung (Art. 159 ZGB, vgl. Art. 108 Abs. 2 schwZGB).