Rz. 172
Das türkische Zivilrecht kennt eine eheähnliche Lebensgemeinschaft nicht. Unverheiratete und zusammenlebende Paare können nicht von einer analogen Anwendung des Eherechts profitieren. Diese Paare haben weder während noch nach der Auflösung ihrer Lebensgemeinschaft einen Unterhaltsanspruch gegeneinander. Das türkische ZGB sieht lediglich negative Folgen für eheähnliche Lebensgemeinschaften vor. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch eines Ehegatten endet auch dann, wenn dieser zwar nicht wieder heiratet, jedoch in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt (Art. 176 Abs. 3 türkZGB).
Rz. 173
Die elterliche Sorge für die Kinder aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften steht allein der Mutter zu (Art. 337 Abs. 1 türkZGB). Das Sorgerecht kann nur dann dem Vater übertragen werden, wenn die Mutter zur Ausübung des Sorgerechts nicht in der Lage ist (minderjährig, entmündigt, verstorben oder ihr die elterliche Sorge entzogen ist) und dies dem Wohl des Kindes entspricht (Art. 337 Abs. 2 türkZGB). Die Kinder aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften tragen den Familiennamen der Mutter (Art. 321 türkZGB).
Rz. 174
Auch sozialversicherungsrechtlich werden diese Paare wie ledige Personen behandelt. Der ausländische Partner kann von den Begünstigungen für die Ehegatten türkischer Staatsangehörigen (z.B. Arbeitserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis) nicht profitieren, weil diese Rechte nur nach der Zivilehe eingeräumt werden.
Rz. 175
In der türkischen Literatur wird darauf hingewiesen, dass den eheähnlichen Lebensgemeinschaften (solange sie keine homosexuellen Lebensgemeinschaften sind) die Stellung einer Gesellschaft des ZGB eingeräumt werden müsse, damit im Falle eines Beziehungsendes Güterteilung stattfinden könne. Nach Meinung von Hatemi müsse de lege ferenda der Frau ein Trennungsunterhalt (Ayrilma tazminati) eingeräumt werden.
Rz. 176
Die rechtliche Stellung der Verlobten kann m.E. analog auf eheähnliche Lebensgemeinschaften angewandt werden, vorausgesetzt, es handelt sich hierbei nicht um auf Vermeidung von Zivilehen hin gebildete rein religiöse Ehen (Imam-Ehe). Ist der Partner durch Dritte getötet worden, hat der andere Partner gegenüber dem Schädiger einen Anspruch auf Ersatz des Versorgungsschadens (Art. 45 Abs. 2 türkOR) und auf Ersatz des immateriellen Schadens (Art. 47 türkOR). Ebenfalls steht ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu (Art. 245 Abs. 1 Nr. 1 türkZPO; Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 türkStPO). Sowohl die Mutter als auch das Kind können auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und dem Vater klagen (Art. 301 türkZGB).