Rz. 1
Das türkische IPRG wurde im Jahr 2007 vom türkischen Gesetzgeber verabschiedet und ist am 12.12.2007 in Kraft getreten. Die Regelung zum Erbrecht ist jedoch identisch geblieben.
Das IPRG enthält keine Übergangsvorschriften, da in Art. 1 EinfG zum ZGB der allgemeine Grundsatz des Rückwirkungsverbots von Gesetzen festgeschrieben ist. Daher sind auf die Erbfolge die (unveränderten) Normen des neuen Gesetzes anzuwenden, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verstorben ist.
Die Erbfolge unterliegt gem. Art. 22 des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (IPRG) dem Heimatrecht des Verstorbenen. Ausgenommen ist das in der Türkei belegene Immobilienvermögen, welches nach dem türkischen Belegenheitsrecht vererbt wird. Darüber hinaus unterliegen auch die Eröffnung des Erbgangs, der Erwerb und die Teilung der Erbschaft dem jeweiligen Belegenheitsrecht (Art. 22 Abs. 2 IPRG), also die gesamte Nachlassabwicklung.
Rz. 2
Sowohl nach Art. 75 Abs. 1 EuErbVO als auch nach Art. 1 Abs. 2 IPRG gehen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen den nationalen IPR-Regelungen vor.
Rz. 3
Im deutsch-türkischen Verhältnis bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht nach den §§ 14 ff. der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (Nachlassabkommen – NA). Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952 im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Türkei fort. Gemäß § 14 NA bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte (§ 14 Abs. 1 NA), und in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt (§ 14 Abs. 2 NA). Auch hiernach unterliegt die Erbfolge grundsätzlich dem Heimatrecht des Erblassers, bei einer in der Türkei belegenen Immobilie dem türkischen Recht. Für in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlass gilt bei einem türkischen Erblasser deutsches Recht. Damit tritt für deutsche Immobilien eines türkischen Erblassers stets Nachlassspaltung ein. Ein weiterer Unterschied zur EuErbVO ergibt sich daraus, dass das Nachlassabkommen kein Errichtungsstatut vorsieht.
Rz. 4
Was zum beweglichen und zum unbeweglichen Nachlass gehört (Qualifikation), wird nach dem Recht des Staates entschieden, in dem sich der Nachlass befindet (§ 12 Abs. 3 NA).
Rz. 5
Angesichts der zwingenden Normen des Nachlassabkommens ist eine Rechtswahl nach Art. 22 EUErbVO allenfalls für das vom Nachlassabkommen nicht erfasste Vermögen zulässig – also bei einem türkischen Erblasser hinsichtlich des in anderen Mitgliedstaaten der EU belegenen Vermögens und hinsichtlich des in der Türkei belegenen Vermögens.
Rz. 6
Für das für die Formwirksamkeit letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht gilt seit dem 22.10.1983 in Ansehung der Türkei das Haager Testamentsformübereinkommen. Zwischen Deutschland und der Türkei sind dessen Bestimmungen vorrangig anwendbar. Freilich betrifft dies nur den Anwendungsbereich des Abkommens, also nicht Erbverträge und Erbverzichtsverträge. Für die Formwirksamkeit derartiger Verfügungen gilt also weiterhin gem. Art. 16 Abs. 1 NA alternativ die Formwirksamkeit nach dem Ortsrecht (lex loci actus) und dem Heimatrecht (lex patriae) des Erblassers bei Errichtung.
Rz. 7
Da beide Rechtssysteme als kontinentaleuropäische ein gleiches Familien-, Eigentums- und Erbrechtsverständnis aufweisen, spielt der ordre public (Art. 5 IPRG) i.d.R. keine große Rolle. Trotzdem sollte man in der deutsch-türkischen Rechtspraxis auf solche Institutionen wie gemeinschaftliche Testamente, die das türkische Rechtssystem nicht zulässt, verzichten.