1. Allgemeines
Rz. 33
Unter dem Vierten Abschnitt des türkZGB wird das Güterrecht der Ehegatten geregelt. Der türkische Gesetzgeber gibt die frühere Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand auf und führt die auch in der Schweiz geltende "Errungenschaftsbeteiligung" als gesetzlichen Güterstand ein. Neben diesem Güterstand kennt das türkZGB weiterhin die vertraglichen Güterstandsregelungen wie "Gütertrennung", "Gütergemeinschaft" und den vom türkischen Gesetzgeber eigens geschaffenen Güterstand "Gütertrennung mit Beteiligung". In der Praxis ist die Wahl eines vom gesetzlichen Güterstand abweichenden Güterstandes äußerst selten.
2. Errungenschaftsbeteiligung
Rz. 34
Der türkische gesetzliche Güterstand "Errungenschaftsbeteiligung" beruht sicherlich auf dem gleichen Grundgedanken wie die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand im deutschen Recht. Das heißt, dass das Vermögen der Eheleute während der Dauer der Ehe getrennt bleibt, nach Beendigung des Güterstandes aber ein Ausgleich des unterschiedlichen Zuwachses der Errungenschaften auf obligatorischer Ebene erfolgt. Jedoch sind die Unterschiede groß, was die Ausgestaltung angeht. Die Verfügungsfreiheit der Ehegatten während der Ehe wird im türkischen Recht in folgenden Bereichen eingeschränkt:
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Das Gericht kann auf Begehren eines Ehegatten die Verfügung über bestimmte Vermögenswerte, die der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Familie oder der Erfüllung einer vermögensrechtlichen Verpflichtung aus der ehelichen Gemeinschaft dienen, von dessen Zustimmung abhängig machen (Art. 199 türkZGB). |
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Über die Vermögenswerte, die im Miteigentum beider Ehegatten stehen, kann ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen nicht verfügen (Art. 223 Abs. 2 türkZGB). |
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Ein Ehegatte darf den Mietvertrag der Ehewohnung nicht allein kündigen oder über Gegenstände aus der Ehewohnung verfügen, die im Eigentum des anderen Ehegatten stehen (Art. 194 türkZGB). |
Rz. 35
Zusammenfassend ist folglich festzuhalten: Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut und verfügt darüber. Steht ein Vermögenswert im Miteigentum beider Ehegatten, so kann ein Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen über seinen Anteil nicht verfügen, sofern nichts anderes vereinbart ist.
Rz. 36
Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
Rz. 37
Beteiligungen an Gesellschaften werden nach türkischem Recht nach Marktwert der Beteiligung beurteilt. Der türkische Kassationshof beurteilt die Wertermittlungen von Unternehmen anhand des Versicherungswertes, des in der notariellen Urkunde festgehaltenen Verkaufswertes, der Einschätzung der Bank oder der Einschätzung über das Internet ohne Gutachtereinsicht als nicht rechtens und verpflichtet zur Ermittlung des Marktwertes gemäß Art. 232 Abs. 1 türkZGB (Art. 211 Abs. 1 schweizZGB). Ein Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 14.9.2010 (5A_387/2010, 5A_405/2010) hinsichtlich der Unternehmensbewertung wurde von türkischen Rechtsgelehrten als Orientierungshilfe zur Kenntnis genommen.
Vor der Eheschließung erworbene Gesellschaftsanteile gelten als Eigengut. Jedoch gelten die Dividenden und Einnahmen, die aus diesen Anteilen resultieren, als Errungenschaft.
3. Gütertrennung
Rz. 38
Die Gütertrennung wird auf Begehren eines Ehegatten vom Gericht angeordnet, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Das Gesetz zählt einige Gründe als wichtig auf: