Prof. Dr. Christian Rumpf
1. Übersicht
Rz. 251
Das Konkursverfahren ähnelt in vieler Hinsicht dem Zwangsvollstreckungsverfahren. Es handelt sich dabei um ein Gesamtvollstreckungsverfahren, in welchem aufgrund eines Beschlusses der Kammer für Handelssachen alles pfändbare Vermögen des Insolventen (müflis) zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger verwertet wird. Dabei wird das gesamte Vermögen des Schuldners zur "Konkursmasse" (iflâs masası). Es gibt drei Konkursarten: die Vollstreckung im Wege des "ordentlichen" Konkurses (adi iflâs), der Wechselkonkurs (kambiyo senetlerine mahsus iflâs) und der "direkte" Konkurs (doğrudan doğruya iflâs).
2. Ordentlicher Konkurs
Rz. 252
Im ordentlichen Konkurs (Art. 155 ff. ZVG) stellt der Gläubiger beim Vollstreckungs- und Konkursamt (icra ve iflâs dairesi) Konkursantrag. Dieser Antrag wird in der Praxis häufig gleich mit gestellt, wenn aus Gerichtsurteilen oder aber im vorgerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahren die Zwangsvollstreckung begehrt wird, wenn der Gläubiger den Verdacht hat, die Zahlungsverweigerung könnte auf Zahlungsunfähigkeit beruhen. Zahlt der Schuldner nicht, erhebt der Gläubiger innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Zahlungsbefehls Konkursklage (iflâs davası) bei der Kammer für Handelssachen als Konkursgericht (iflâs mahkemesi). Hat der Schuldner jedoch Einspruch gegen den Zahlungsbefehl eingelegt, wird die Vollstreckung gehemmt. In diesem Fall ist die Konkursklage mit der Klage auf Anfechtung des Einspruchs zu verbinden. Nach Erhebung der Konkursklage trifft das Konkursgericht zunächst erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger. Im Übrigen richtet sich der Fortgang des Verfahrens danach, ob der Schuldner Einspruch gegen den Zahlungsbefehl (ödeme emri) eingelegt hat oder nicht.
Rz. 253
Hat der Schuldner keinen Einspruch eingelegt, erlässt das Gericht auf entsprechenden Antrag ohne Prüfung der vom Gläubiger behaupteten Forderung lediglich den Konkursbeschluss (iflâs kararı) (Art. 173 ZVG), die Forderung gilt dann als anerkannt. Andernfalls muss das Gericht zunächst prüfen, ob die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, d.h. die Frage des Bestehens der Forderung klären. Liegen die Voraussetzungen vor, ergeht Konkursbeschluss. In beiden Fällen erhält jedoch der Schuldner zuvor noch eine letzte Chance: Mit einem Vorratsbeschluss (depo kararı) fordert das Gericht vor Erlass des Konkursbeschlusses den Schuldner noch einmal auf, innerhalb von sieben Tagen die Forderung durch Zahlung zu begleichen (Art. 158 ZVG). Hat der Schuldner auf den Vorratsbeschluss nicht bezahlt und folgt der Konkursbeschluss, kann sich der Schuldner nicht mehr durch Zahlung befreien.
Rz. 254
Mit Erlass des Konkursbeschlusses gilt der Konkurs als eröffnet (Art. 165 ZVG). Der Beschluss wird unverzüglich den interessierten Behörden, insbesondere dem Grundbuchamt, dem Handelsregister, den Zoll- und Postbehörden, dem Türkischen Bankenverband, den örtlichen Handelskammern und Industriekammern, den Börsen und der Börsenaufsicht mitgeteilt und zudem in der Presse sowie im Handelsregisterblatt bekannt gemacht. Mit der Konkurseröffnung endet auch die Möglichkeit des Gläubigers, seine Konkursklage zurückzunehmen. Gegen den Konkursbeschluss kann innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung Berufung zum örtlich zuständigen Regionalgericht eingelegt werden (Art. 164 ZVG). Die Einlegung der Berufung hat keine aufschiebende Wirkung.
3. Wechselkonkurs
Rz. 255
Das Wechselkonkursverfahren kann von Wechsel- und Scheckgläubigern sowie Inhabern von Orderpapieren eingeleitet werden (Art. 167 ff., 177 ff. ZVG). Darauf, ob die Hauptforderung anderweitig im Wege der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann, kommt es nicht an. Der Unterschied zum "ordentlichen" Verfahren besteht in den Fristen, die – sowohl für den Einspruch als auch für die Beschwerde – nur fünf Tage betragen. Soweit hier auch die Beschwerde statthaft ist und eingelegt wurde, muss in der Konkursklage die Zurückweisung der Beschwerde beantragt werden. Für das weitere Verfahren kann auf die Ausführungen zum ordentlichen Konkurs verwiesen werden (siehe Rdn 252 ff.).
4. Direkter Konkurs
Rz. 256
Beim direkten Konkursverfahren gem. Art. 177 ZVG kann ein Gläubiger direkt bei der Kammer für Handelssachen Konkursklage erheben, wenn der Schuldner sich oder sein Vermögen offenkundig dem Zugriff der Gläubiger entzieht, seine Zahlungen einstellt oder der Vergleich i.S.v. Art. 301 ZVG scheitert. Gleiches gilt, wenn der Schuldner auf Zahlungsbefehl aufgrund eines rechtskräftigen Urteils nicht zahlt. Dem Schuldner ist rechtliches Gehör zu gewähren. Erscheint der Schuldner nicht zur mündlichen Verhandlung, kann das Gericht Versäumnisurteil erlassen. Im Übrigen hat der Gläubiger die Existenz seiner Forderung und den Konkursgrund unter Beweis zu stellen. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Konkursbeschluss vorliegen, ergeht zunächst wieder ein Vorratsbeschluss, bevor, wenn der Schuldner nicht in der gesetzten Frist zahlt, das Konkursverfahren eröffnet wird.
Rz. 257
Der Schuldner, im Falle der GmbH deren Geschäftsführer...