Prof. Dr. Christian Rumpf
1. Eröffnung
Rz. 259
Mit der Konkurseröffnung und ihrer Bekanntmachung beginnt die Liquidation des gesamten Vermögens des Schuldners (ordentliche Liquidation – adi tasfiye, Art. 219 ZVG). Mit der Bekanntmachung erhalten die Gläubiger eine Frist von einem Monat, innerhalb welcher sie ihre Forderungen unter Beweisantritt anmelden können. Für Gläubiger, die sich im Ausland oder "in großer Entfernung" aufhalten, kann die Frist verlängert werden. Trotz dieser Fristen ist die Anmeldung bis zur Einstellung des Konkursverfahrens möglich, allerdings kann es bei Verfristung zum Verlust von Quotenanteilen kommen. Wie die Gläubiger sind aber auch die Schuldner des Konkursschuldners unter Strafandrohung aufzufordern, ihre Verpflichtungen anzumelden. Insbesondere werden diejenigen, die sich im Besitz von Massevermögen befinden, zur Herausgabe aufgefordert. Schließlich enthält die Bekanntmachung auch die Einladung zur ersten Gläubigerversammlung, die zehn Tage nach der Bekanntmachung stattzufinden hat.
2. Gläubigerversammlung
Rz. 260
Die Gläubigerversammlung (alacaklılar toplantısı) tagt unter der Leitung des Direktors des zuständigen Konkursamts. Es muss mindestens ein Viertel des zu diesem Zeitpunkt bekannten Forderungsaufkommens vertreten sein, bei weniger als fünf Gläubigern muss ein Quorum von der Hälfte des bekannten Forderungsaufkommens vertreten sein (Art. 221 ZVG). Es wird zunächst ein "Konkursbüro" gebildet, das aus dem Direktor des Konkursamts und einem oder zwei Gläubigervertretern besteht. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit des Forderungsaufkommens gefasst. Kommt die Gläubigerversammlung wegen fehlender Beschlussfähigkeit nicht zustande, wird die Liquidation durch das Konkursamt eingeleitet und bis zur zweiten Gläubigerversammlung durchgeführt.
3. Konkursverwalter
Rz. 261
Die von der ersten Gläubigerversammlung gewählte Konkursverwaltung (iflâs idaresi) besteht aus drei Personen, die auf Vorschlag der Gläubigerversammlung nach einem bestimmten Schlüssel vom Konkursamt eingesetzt werden. Konkursamt wie auch einzelne Gläubiger können gegen Entscheidungen der Konkursverwaltung Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde – dem "Konkursgericht" (iflâs mahkemesi) einlegen. Das Konkursamt kann auch bei Untätigkeit der Konkursverwaltung Maßnahmen zum Fortgang des Verfahrens treffen. Die Konkursverwaltung ist gesetzlicher Vertreter der Masse und nimmt deren Interessen wahr. Sie stellt die Aktiva und Passiva der Masse fest. Stellt sie fest, dass die Masse für Zahlungen an die Gläubiger nicht ausreicht, stellt sie bei der Kammer für Handelssachen Antrag auf Beendigung des Verfahrens.
4. Feststellung der Forderungen
Rz. 262
Die nächsten Schritte sind die Prüfung der Forderungen, ggf. die Herausgabe von Gegenständen aus der Masse an Gläubiger (Art. 228 ZVG) und der Verkauf der Massegegenstände und Verwertung bzw. Beitreibung der Forderungen (Art. 229 ZVG). Die Forderungsliste ist innerhalb von drei Monaten nach Bestellung der Konkursverwaltung unter Mitwirkung des Konkursschuldners zu erstellen. Auf der Liste wird vermerkt, welche Forderungen anerkannt werden. Wird nicht anerkannt, muss der Vermerk mit einer Begründung versehen werden (Art. 233 ZVG). Einwendungen gegen die Forderungsliste sind innerhalb von 15 Tagen durch Klage beim Konkursgericht geltend zu machen (Art. 235 ZVG). Mit Pfandrechten belegte Forderungen sind vorab zu befriedigen, danach gilt folgende Rangabfolge (Art. 206 ZVG):
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Erster Rang: Arbeitslöhne bis ein Jahr vor Eröffnung des Konkurses sowie Abfindungen; titulierte familienrechtliche Unterhaltsforderungen. |
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Zweiter Rang: Forderungen von Mündeln oder dem Sorgerecht des Konkursschuldners Unterworfenen; sie sind allerdings auszusondern, wenn die Vormundschaft im Zeitpunkt des Konkurses noch besteht oder weniger als ein Jahr vor Konkursbeginn beendet wurde. |
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Dritter Rang: In anderen Gesetzen festgestellte Forderungen. |
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Der vierte Rang, der schon nicht mehr als "Rang" zu gelten hat, hat keine eigene Bedeutung mehr; hier sammelt sich der gesamte Rest der denkbaren, noch nicht verjährten Forderungen. |
Rz. 263
Innerhalb der einzelnen Ränge sind die Gläubiger gleichgestellt. Steuerforderungen sind hinter die Ränge zurückgetreten. Dies ist bei der GmbH für die Finanzbehörden insoweit unschädlich, als sie mit den Gesellschaftern und dem Geschäftsführer noch alternative Schuldner hat, auf welche sie zugreifen können (Art. 35 und 35bis des Gesetzes über die Beitreibung öffentlicher Forderungen). Die Verteilung erfolgt in der Weise, dass der höhere Rang erst einmal vollständig befriedigt wird, bevor es zur Verteilung auf den nachfolgenden Rang kommt. Wo die Masse für die Befriedigung aller Gläubiger eines Ranges nicht mehr ausreicht, wird nach Quote verteilt (garameten paylaştırma).
5. Zweite Gläubigerversammlung
Rz. 264
Mit der Abgabe der Forderungsliste an das Konkursamt wird die zweite Gläubigerversammlung einberufen. Teilnehmer ist, wessen Forderung ganz oder teilweise anerkannt worden ist. Das Konkursgericht kann aber auch einem Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, die Teilnahme ermöglichen. Die Gläubigerversammlung entschei...