Prof. Dr. Christian Rumpf
I. Allgemein
Rz. 247
Als Subjekt des Handelsverkehrs unterliegt eine GmbH auch den Vorschriften zur Insolvenz (iflâs) (Art. 18 Abs. 1 HGB). Gemäß Art. 633 f. HGB sind auf den Fall der Insolvenz bzw. des vollständigen Verlusts des Kapitals die Vorschriften aus dem Aktienrecht anzuwenden. Bei Eintritt des Konkursfalles ist der Geschäftsführer verpflichtet, unverzüglich die Generalversammlung einzuberufen (Art. 376 HGB). Dieser Fall tritt ein, wenn vom Gesellschaftskapital nur noch ein Deckungsbetrag von 50 % vorhanden ist.
Rz. 248
In diesem Falle oder wenn sich abzeichnet, dass die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, ist unverzüglich eine Zwischenbilanz zu erstellen. Diese Bilanz basiert auf den Verkehrswerten (Verkaufswerten) der Aktiva der Gesellschaft, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob die Aktiva ausreichen, ggf. die Verbindlichkeiten zu decken. Bleiben zwei Drittel des Kapitals ohne Deckung, muss die Generalversammlung entweder eine Kapitalerhöhung beschließen oder aber den Geschäftsführer anweisen, Konkursantrag zu stellen. Wird überhaupt kein Beschluss getroffen und versäumt der Geschäftsführer, Konkursantrag zu stellen, so gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Bestehen Aussichten auf Besserung oder auf entsprechende Bereitschaft der Gläubiger, kann anstelle des Konkursantrages auch Antrag auf Durchführung eines Vergleichs (konkordato) gestellt werden.
Rz. 249
Hat der Geschäftsführer den Konkursantrag gestellt oder – was ausreicht – dem Gericht lediglich "Mitteilung" gemacht, wird zunächst durch das Konkursgericht geprüft, ob die Masse für die Durchführung des Konkursverfahrens ausreicht. Statt eines Konkursbeschlusses kann je nach Sachlage und gestellten Anträgen auch ein Vergleichsbeschluss ergehen. Auch im späteren Verlauf des Konkursverfahrens bleibt der Vergleich möglich. Das 2003 eingeführte Sanierungsverfahren, in welchem der Schuldner die Aussetzung von Vollstreckungen (erteleme) erwirken kann, wurde 2018 wieder abgeschafft, weil es – so die Begründung des Gesetzgebers – zu häufig missbraucht wurde. Stattdessen wurde die Sanierung – das grundsätzliche Ziel bei wirtschaftlicher Schieflage – im Zusammenhang mit dem Vergleich neu geregelt.
Rz. 250
Das Versäumnis, rechtzeitig Konkursantrag zu stellen, führt zur Haftung des Geschäftsführers gegenüber den geschädigten Gläubigern und den geschädigten Anteilseignern (Art. 553 Abs. 1 HGB). Gibt es mehrere Geschäftsführer, so haften diese gesamtschuldnerisch. Bei gegen den Geschäftsführer angestrengten Verfahren werden Entschädigungen nur an die Gesellschaft gezahlt (Art. 555 Abs. 1 HGB).
II. Natur des Konkursverfahrens
1. Übersicht
Rz. 251
Das Konkursverfahren ähnelt in vieler Hinsicht dem Zwangsvollstreckungsverfahren. Es handelt sich dabei um ein Gesamtvollstreckungsverfahren, in welchem aufgrund eines Beschlusses der Kammer für Handelssachen alles pfändbare Vermögen des Insolventen (müflis) zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger verwertet wird. Dabei wird das gesamte Vermögen des Schuldners zur "Konkursmasse" (iflâs masası). Es gibt drei Konkursarten: die Vollstreckung im Wege des "ordentlichen" Konkurses (adi iflâs), der Wechselkonkurs (kambiyo senetlerine mahsus iflâs) und der "direkte" Konkurs (doğrudan doğruya iflâs).
2. Ordentlicher Konkurs
Rz. 252
Im ordentlichen Konkurs (Art. 155 ff. ZVG) stellt der Gläubiger beim Vollstreckungs- und Konkursamt (icra ve iflâs dairesi) Konkursantrag. Dieser Antrag wird in der Praxis häufig gleich mit gestellt, wenn aus Gerichtsurteilen oder aber im vorgerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahren die Zwangsvollstreckung begehrt wird, wenn der Gläubiger den Verdacht hat, die Zahlungsverweigerung könnte auf Zahlungsunfähigkeit beruhen. Zahlt der Schuldner nicht, erhebt der Gläubiger innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Zahlungsbefehls Konkursklage (iflâs davası) bei der Kammer für Handelssachen als Konkursgericht (iflâs mahkemesi). Hat der Schuldner jedoch Einspruch gegen den Zahlungsbefehl eingelegt, wird die Vollstreckung gehemmt. In diesem Fall ist die Konkursklage mit der Klage auf Anfechtung des Einspruchs zu verbinden. Nach Erhebung der Konkursklage trifft das Konkursgericht zunächst erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger. Im Übrigen richtet sich der Fortgang des Verfahrens danach, ob der Schuldner Einspruch gegen den Zahlungsbefehl (ödeme emri) eingelegt hat oder nicht.
Rz. 253
Hat der Schuldner keinen Einspruch eingelegt, erlässt das Gericht auf entsprechenden Antrag ohne Prüfung der vom Gläubiger behaupteten Forderung lediglich den Konkursbeschluss (iflâs kararı) (Art. 173 ZVG), die Forderung gilt dann als anerkannt. Andernfalls muss das Gericht zunächst prüfen, ob die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, d.h. die Frage des Bestehens der Forderung klären. Liegen die Voraussetzungen vor, ergeht Konkursbeschluss. In beiden Fällen erhält jedoch der Schuldner zuvor noch eine letzte Chance: Mit einem Vorratsbeschluss (depo kararı) fordert das Gericht vor Erlass des Konkursbeschlu...