Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 290
Das internationale Privatrecht des Gesellschaftsrechts lässt sich aus Art. 9 Abs. 4 IPRG herleiten. Hiernach ist die Geschäftsfähigkeit juristischer Personen nach dem Recht an ihrem Sitz zu beurteilen. Türkisches Recht soll nach dieser Vorschrift aber auch dann anwendbar sein, wenn sich nur der tatsächliche Sitz in der Türkei befindet. So können also ausländische Kapitalgesellschaften, die ihren Registersitz im Ausland haben, aber tatsächlich nur über ihren Verwaltungssitz in der Türkei aktiv sind, nach türkischem Recht zu beurteilen sein. Die Verschmelzung eines türkischen Unternehmens mit einem ausländischen Unternehmen ist nirgends geregelt. Da die zu verschmelzenden Gesellschaften bestimmten Rechtsformtypen angehören müssen (vgl. Rdn 185 ff.), ist nach gegenwärtiger Rechtslage davon auszugehen, dass inländische mit ausländischen Gesellschaften nur in der Weise verschmolzen werden können, dass das Vermögen der zu verschmelzenden Gesellschaft von der Zielgesellschaft übernommen und der verbleibende Mantel der zu verschmelzenden Gesellschaft nach den Bestimmungen von Liquidation und Auflösung aufgelöst wird.
Rz. 291
Eine Kapitalgesellschaft, die nach den Vorschriften des türkischen Handelsgesetzbuches in der Türkei gegründet wird, Rechtspersönlichkeit erwirbt und ihren Sitz in der Türkei hat, hat die türkische Staatsangehörigkeit. Das türkische HGB knüpft hierfür an den satzungsmäßigen Gründungssitz an. Infolge einer Regelung, wonach der Wechsel der Staatsangehörigkeit einer Aktiengesellschaft nur durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter bewirkt werden kann (Art. 421 Abs. 2 HGB), wird nun die Frage aufgeworfen, ob eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Türkei eine andere Staatsangehörigkeit annehmen kann. Tatsächlich hat diese Frage derzeit praktisch kaum Relevanz, könnte sich aber vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der EU in Zukunft verschärft stellen. In der Begründung des Gesetzgebers für Art. 421 HGB wird angenommen, dass mit der Sitzverlegung auch die Angehörigkeit des Sitzstaates angenommen wird. Voraussetzung dürfte sein – entsprechend den Bestimmungen über die Liquidation der Gesellschaft, dass alle Verbindlichkeiten beglichen werden oder die schriftliche Einwilligung der Gläubiger vorliegt. Entsprechende Änderungen der Registereintragung kommen außerdem nur in Betracht, wenn die Gesellschaft nachweist, dass die Sitzverlegung in das Ausland im neuen Heimatstaat auch tatsächlich angenommen worden ist. Da nach diesen Vorgaben letztlich die Grundsätze der Liquidation der Gesellschaft Geltung haben, wird nach einer Sitzverlegung in das Ausland nach Erfüllung vorgenannter Kriterien nur die Löschung aus dem Handelsregister in Betracht kommen, es sei denn, der Sitz in der Türkei soll als Niederlassung bestehen bleiben. In diesem Fall ist die Gesellschaft als Niederlassung zu registrieren. Dem entsprechend ist ein Verlegungsbeschluss auch mit der für die Einleitung des Liquidationsverfahrens geltenden Mehrheit zu fassen, also mit der Mehrheit von mehr als der Hälfte des Kapitals und zwei Drittel der anwesenden Stimmen (Art. 621 Abs. 1 HGB).