1. Im Allgemeinen
Rz. 50
Erfüllt ein Ehegatte seine Pflichten gegenüber der Familie nicht oder sind die Ehegatten in einer für die eheliche Gemeinschaft wichtigen Angelegenheit uneinig, so können sie gemeinsam oder einzeln das Gericht um Vermittlung anrufen. Das Gericht mahnt die Ehegatten zu ihren Pflichten und versucht, sie zu versöhnen; mit dem Einverständnis beider können Sachverständige zu Hilfe zugezogen werden (Art. 195 türkZGB). Diese Regelung ist zum größten Teil identisch mit dem des schweizerischen ZGB (Art. 172 schwZGB). Nach dem schweizerischen ZGB kann das Gericht das Ehepaar an eine Ehe- oder Familienberatungsstelle verweisen. Da solche Stellen bis heute in der Türkei nicht vorhanden sind, wurde diese Maßnahme nicht in die Formulierung des türkischen ZGB aufgenommen, sondern mit den Worten "Sachverständige zur Hilfe beiziehen" verallgemeinert und zukunftsfähig gestaltet.
2. Geldleistungen während des Zusammenlebens
Rz. 51
Auf Begehren eines Ehegatten setzt das Gericht die Geldbeträge für den Unterhalt der Familie fest. Ebenso setzt es den Betrag für den Ehegatten fest, der den Haushalt besorgt, die Kinder betreut oder dem anderen im Beruf oder Gewerbe hilft. Obwohl die Regelung des Art. 173 des schweizerischen ZGB weitgehend mit der türkischen identisch ist, beinhaltet sie einen wichtigen Unterschied: Nach dem schweizerischen Gesetz wird der Betrag für den Ehegatten, der den Haushalt besorgt, die Kinder betreut oder dem anderen im Beruf oder Gewerbe hilft, nur dann festgesetzt, wenn dieses von einem Ehegatten begehrt wird (Abs. 2). Im türkZGB ist dieser dagegen vom Gericht von Amts wegen festzusetzen (Art. 196 Abs. 2 türkZGB).
3. Maßnahmen hinsichtlich der Schuldner
Rz. 52
Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise an den anderen Ehegatten zu leisten (Art. 198 türkZGB).
4. Beschränkungen der Verfügungsbefugnis
Rz. 53
Das Gericht kann auf Begehren eines Ehegatten die Verfügung über bestimmte Vermögenswerte von dessen Zustimmung abhängig machen. Mit Art. 199 türkZGB gibt der Gesetzgeber dem Gericht die Möglichkeit, insbesondere die Ehefrau davor zu schützen, dass der Ehemann, der zur Scheidung entschlossen ist, mit Scheingeschäften das Vermögen der Familie mindert. Falls es dafür zu spät ist und die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der "Errungenschaftsbeteiligung" (siehe Rdn 33 ff.) leben, können die veräußerten Werte bei der Auflösung des Güterstandes für die Berechnung der Vermögensanteile der Ehegatten berücksichtigt werden.