Rdn 3205
1. Fraglich ist, wie sich der Verteidiger verhalten soll, wenn er feststellt, dass einer der beteiligten Richter der HV nicht aufmerksam folgt. Die bloße Unaufmerksamkeit eines Richters ist nämlich nur dann absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1, wenn sie sich über einen erheblichen Zeitraum (zuletzt BSG NJW 2017, 3183) erstreckt, z.B. bei Übermüdung (BGHSt 2, 14 f.; 11, 74, 77; Beschl. v. 19.6.2018 – 5 StR 643/17, NStZ 2019, 106; Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 616/19, StV 2021, 479 m. zust. Anm. Kühne), Ablenkung durch Aktenstudium oder Durchsicht von Gefangenenbriefen (BGH NJW 1962, 2212; OLG Schleswig SchlHA 1982, 115 [E/L]; OLG Hamm NJW 2006, 1449 [schlafender StA]). Der Verteidiger muss entscheiden, ob er den Vorsitzenden auf diesen Umstand aufmerksam macht und eine Unterbrechung der HV beantragt oder ob er die Unaufmerksamkeit nicht rügen will.
☆ Entscheidet er sich für Letzteres, wird ihm in der Revisionsinstanz, wenn er einen nicht unerheblichen Zeitraum bestimmt behauptet, ggf. entgegengehalten, er habe den von ihm bemerkten Verfahrensverstoß durch Arglist verwirkt ( Dahs , Rn 813; → Verwirkung von Verteidigungsrechten , Teil V Rdn 3987 ). In der Revision wird er zudem auch Schwierigkeiten haben, den nicht unerheblichen Zeitraum der Unaufmerksamkeit zu beweisen. Zudem muss der Richter während wesentlicher Vorgänge der HV geschlafen haben (BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 616/19, StV 2021, 479 [Verlesung des Anklagesatzes])."nicht unerheblichen Zeitraum" bestimmt behauptet, ggf. entgegengehalten, er habe den von ihm bemerkten Verfahrensverstoß durch Arglist verwirkt (Dahs, Rn 813; → Verwirkung von Verteidigungsrechten, Teil V Rdn 3987). In der Revision wird er zudem auch Schwierigkeiten haben, den "nicht unerheblichen Zeitraum" der Unaufmerksamkeit zu beweisen. Zudem muss der Richter während "wesentlicher Vorgänge" der HV geschlafen haben (BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 616/19, StV 2021, 479 [Verlesung des Anklagesatzes]).
Rdn 3206
2. Das Gleiche gilt für den Fall des schlafenden Richters (u.a. für Schöffen BGH NStZ 1982, 41; Beschl. v. 19.6.2018 – 5 StR 643/17, NStZ 2019, 106; BGH, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 StR 616/19, StV 2021, 479; BSG NJW 2017, 3183; Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 15 m.w.N.; zum Revisionsvortrag BVerwG NJW 2001, 2898; OLG Hamm NJW 2006, 1449 [für "schlafenden" StA]). Eine plötzliche geistige Abwesenheit oder das ruckartige Aufrichten eines Richters lassen aber noch nicht den Schluss darauf zu, dass der betroffene Richter wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung nicht hat aufnehmen können (z.B. BFH/NV 2012, 246).