Rdn 3279
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3253.
Rdn 3280
1. Die StPO geht davon aus, dass der Urkundenbeweis entweder nach § 249 Abs. 1 durch Verlesung der (schriftlichen) Urkunde oder des elektronischen Dokuments (→ Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3253) oder gem. § 249 Abs. 2 im Selbstleseverfahren (→ Urkundenbeweis, Selbstleseverfahren, Teil U Rdn 3284) erhoben wird. Ob der Urkundenbeweis daneben auch durch einen Bericht des Vorsitzenden erhoben werden kann, ist in Rspr. und Lit. umstritten. Die Rspr. hat das schon immer als zulässig angesehen (u.a. BGHSt 11, 29; 11, 159; OLG Hamm MDR 1964, 344; OLG Köln NJW 1987, 2096). Sie ist der Ansicht, dass auch mit der Einführung des Selbstleseverfahrens diese Art des Urkundenbeweises nicht abgeschafft werden sollte (BGHSt 30, 10). In der Lit. wird diese Verfahrensweise schon ebenso lange als unzulässig bekämpft (LR-Mosbacher, § 249 Rn 44 ff.; SK-StPO/Schlüchter, § 249 Rn 57; Wagner StV 1981, 219 in der Anm. zu BGH, a.a.O.; vermittelnd Meyer-Goßner/Schmitt, § 249 Rn 26, der das Verfahren für zulässig hält, wenn die Aufklärungspflicht nicht entgegensteht; so a. KK/Diemer, § 249 Rn 28 m.w.N. a. zur a.A. [Verfahrensvereinfachung]). Letztlich wird man gegen den Bericht des Vorsitzenden als ein noch einfacheres Beweisverfahren als das Selbstleseverfahren nichts Durchgreifendes einwenden können, sofern es nicht auf den genauen Wortlaut der Urkunde ankommt und dieser Urteilsinhalt werden soll.
Rdn 3281
2. Nach Auffassung der Rspr. ist der Bericht des Vorsitzenden anstelle der Urkundenverlesung unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
a) Der Vorsitzende darf nur über einzelne Urkunden i.S. des § 249 Abs. 1, deren Verlesung nicht nach §§ 250, 256 ausgeschlossen wäre (RGSt 64, 78) und deren Inhalt nicht unmittelbar die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat verkörpert (BGHSt 11, 29), wie z.B. ein Brief mit beleidigendem Inhalt, Bericht erstatten. Ausgeschlossen ist eine Berichterstattung über den Inhalt ganzer Akten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 249 Rn 27 unter Hinw. auf BGH, Urt. v. 25.4.1967 – 5 StR 188/67) sowie über längere Schriftstücke, deren Inhalt wörtlich in das Urteil aufgenommen werden soll (BGH, a.a.O.; BGHSt 11, 159; BGH MDR 1972, 18 [H]). In diesen Fällen muss der Urkundenbeweis entweder durch Verlesung oder (zumindest) im Selbstleseverfahren (→ Urkundenbeweis, Selbstleseverfahren, Teil U Rdn 3284) erhoben werden. Das muss der Verteidiger ggf. beantragen.
Rdn 3282
b) Alle Prozessbeteiligten müssen sich ausdrücklich oder stillschweigend durch Unterlassen eines Widerspruchs mit der Berichterstattung durch den Vorsitzenden einverstanden erklären (Meyer-Goßner/Schmitt, § 249 Rn 27; KK/Diemer, § 249 Rn 28 [zulässig, wenn kein Verfahrensbeteiligter widerspricht]). Diese ist als Akt der Beweisaufnahme in das Protokoll aufzunehmen (h.M.; u.a. OLG Hamm MDR 1964, 344).
☆ Ist der Verteidiger mit einem Bericht des Vorsitzenden nicht einverstanden, muss er die Maßnahme gem. § 238 Abs. 2 also beanstanden und so einen Gerichtsbeschluss herbeiführen.§ 238 Abs. 2 also beanstanden und so einen Gerichtsbeschluss herbeiführen.
Inhaltlich muss der Vorsitzende den Urkundeninhalt streng sachlich schildern. Er darf weder den Inhalt der Urkunde noch deren Beweisbedeutung würdigen (BGHSt 1, 94, 97). Geschieht das, muss der Verteidiger diese Art der "Berichterstattung" ebenfalls beanstanden.
Rdn 3283
3. Fraglich ist, ob der Urkundenbeweis durch Bericht des Vorsitzenden auch im Fall des § 257a zulässig ist. Nach § 257a S. 3 ist auf schriftliche Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen § 249 ohne Einschränkungen anwendbar (→ Schriftliche Antragstellung, Teil S Rdn 3006). Die Gesetzesmaterialien zu § 257a gehen unter Hinweis auf BGHSt 30, 10 davon aus, dass damit nicht nur das Selbstleseverfahren (→ Urkundenbeweis, Selbstleseverfahren, Teil U Rdn 3284) zulässig ist, sondern auch der Urkundenbericht des Vorsitzenden (BT-Drucks 12/6853, S. 36). Dagegen werden, wenn man den Urkundenbeweis in der Form eines Berichts des Vorsitzenden überhaupt für zulässig ansieht (Teil U Rdn 3281 f.), kaum durchgreifende Bedenken erhoben werden können. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel daran, ob die Verfahrensweise zweckmäßig ist, da sich zwischen Vorsitzendem und Verteidiger i.d.R. Streit darüber ergeben wird, ob der Vorsitzende aus dem möglicherweise umfangreichen Antrag des Verteidigers ausreichend vorgetragen hat (zur allgemeinen Kritik an der Neuregelung des § 257a s. die Lit.-Hinw. bei → Schriftliche Antragstellung, Teil S Rdn 3006).
☆ Der Verteidiger muss (auch) in diesen Fällen einem Urkundenbericht des Vorsitzenden auf jeden Fall widersprechen und ggf. gem. § 238 Abs. 2 einen Gerichtsbeschluss herbeiführen, der für eine entsprechende Revisionsrüge unbedingt erforderlich ist.jeden Fall widersprechen und ggf. gem. § 238 Abs. 2 einen Gerichtsbeschluss herbeiführen, der für eine entsprechende Revisionsrüge unbedingt erforderlich ist.
Siehe auch: → Urkundenbew...