Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der Verteidiger muss sein Augenmerk vor allem auf die Frage nach dem dringenden Tatverdacht und auf die nach einem Haftgrunde richten. |
2. |
Der HB muss gem. § 114 Abs. 1 schriftlich ergehen. |
3. |
Der notwendige Inhalt des HB ergibt sich aus § 114 Abs. 2. |
4. |
Der HB muss dem Beschuldigten bekannt gemacht werden. |
Rdn 4673
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Untersuchungshaft, Allgemeines, Teil U Rdn 4650, bei → Akteneinsicht, Beschränkung, Teil A Rdn 303 und bei → Verteidiger, Übernahme des Mandats, Teil V Rdn 5225.
Rdn 4674
1. Unabhängig von der Frage, ob der Verteidiger ein sog. Haftmandat übernommen hat oder ob sich die Haftfrage erst nach Übernahme des Mandats stellt (→ Untersuchungshaft, Allgemeine Fragen, Teil U Rdn 4655) muss der Verteidiger in Haftsachen so früh wie möglich für seinen Mandanten tätig werden, da das einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Strafverfahren haben kann. Dabei muss er sein Augenmerk vor allem auf die für den Erlass/Fortbestand eines Haftbefehls maßgeblichen Fragen richten. Das sind einmal die Frage nach dem dringenden Tatverdacht (→ Untersuchungshaft, Haftbefehl, Tatverdacht, Teil U Rdn 4904) und dann die ob einer der (gesetzlichen) Haftgründe vorliegt (→ Untersuchungshaft, Haftgründe, Allgemeines, Teil U Rdn 4612 m.w.N.).
Darüber hinaus ist folgendes zu beachten:
Rdn 4675
2. Der HB muss gem. § 114 Abs. 1 schriftlich ergehen, und zwar immer (OLG Oldenburg StraFo 2006, 282, für im Anschluss an die Urteilsverkündung beschlossenen HB; LG Zweibrücken VRS 99, 445). Die Schriftform ist aber gewahrt, wenn der HB in ein HV-Protokoll oder in das Protokoll eines sonstigen Termins (Vorführung!) aufgenommen worden ist (OLG Celle StraFo 1998, 171; OLG Oldenburg, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 114 Rn 2; SSW-StPO/Herrmann, § 114 Rn 3 f.). Allerdings wird dann besonders darauf zu achten sein, dass die Förmlichkeiten des § 114 beachtet werden, wie z.B. die Unterschrift aller an der HV mitwirkenden Richter (OLG Celle, a.a.O.). Grds. ist eine Bezugnahme auf andere, bei den Akten befindlichen Urkunden nicht zulässig (KG StV 2017, 457 [Ls.]; etwas anderes kann dann gelten, wenn diese dem HB zumindest als Anlagen beigefügt werden (OLG Celle, a.a.O.; StV 2015, 304; dazu auch OLG Stuttgart NJW 1982, 1296; Meyer-Goßner/Schmitt, § 114 Rn 8). Auch auf ein gleichzeitig erlassenes Urteil darf im HB nicht lediglich Bezug genommen werden (OLG Jena StV 2007, 588 m.w.N.; aber OLG Koblenz, Beschl. v. 18.1.2016 – 2 Ws 742/15). Ebenso darf nicht auf einen früheren HB verwiesen werden, wenn sich die Umstände für den Erlass des HB wesentlich geändert haben (OLG Stuttgart StRR 2007, 38 m. Anm. Herrmann).
☆ Der HB wird mit Beendigung des Verfahrens gegenstandslos . Wird dem Verurteilten nach Rechtskraft des Verfahrens → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand , Teil W Rdn 5640 , gewährt, wird nach § 47 Abs. 3 jedoch der alte HB wieder wirksam (dazu früher BVerfG NJW 2005, 3131).Beendigung des Verfahrens gegenstandslos. Wird dem Verurteilten nach Rechtskraft des Verfahrens → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Teil W Rdn 5640, gewährt, wird nach § 47 Abs. 3 jedoch der "alte" HB wieder wirksam (dazu früher BVerfG NJW 2005, 3131).
Rdn 4676
3.a) Der notwendige Inhalt des HB ergibt sich aus § 114 Abs. 2 (zum Inhalt a. Herrmann, Rn 500 ff.; SSW-StPO/Herrmann, § 114 Rn 6 ff.; Langner, S. 210; Schlothauer/Nobis u.a., Rn 289 ff.). Von besonderer Bedeutung ist dabei die sog. Konkretisierung des Tatvorwurfs. Diese muss so eingehend sein, dass der HB aus sich selbst heraus – wie eine → Anklageschrift, Teil A Rdn 574, – verständlich ist (BGH StV 2018, 107 m. Anm. Rühlmann StRR 10/2017, 24; KG StV 2017, 457 [Ls.]; Beschl. v. 10.8.2016 – (5) 121 HEs 8/16 (14/16; OLG Celle StV 2005, 513; OLG Hamm StV 2000, 153; OLG Karlsruhe StraFo 2002, 25; Schlothauer/Nobis u.a., a.a.O.). Der HB muss daher Zeit und Ort der Tat enthalten bzw. so konkretisieren, dass der Beschuldigte weiß, was ihm vorgeworfen wird (OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 143 [Ls.]; OLG Oldenburg NStZ 2005, 342). Denn der HB dient der Unterrichtung des Beschuldigten darüber, auf welcher Grundlage in sein Freiheitsrecht eingegriffen wird (OLG Hamm NStZ-RR 2002, 335; Langner, S. 207; Herrmann, Rn 503 ff.; zur notwendigen Konkretisierung der Tat [bei Serienstraftaten] im HB u.a. BGH, a.a.O. und a. BGH StV 2018. 103; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 107; OLG Düsseldorf StV 1996, 440; OLG Köln StV 1999, 156 [Verstoß gegen BtMG und Geldwäsche]; OLG Hamm StV 2000, 153 [Verstoß gegen das MarkenG]; LG Bochum StV 1996, 551; SSW-StPO/Herrmann, § 114 Rn 14 ff. m.w.N.). Die Anforderungen an die konkrete Schilderung der Tat im HB wachsen, je länger die U-Haft andauert (OLG Celle, a.a.O.; OLG Brandenburg StV 1997, 140; OLG Karlsruhe StraFo 2002, 25; OLG Koblenz, a.a.O.; s.a. KG, Beschl. v. 21.8.2014 – 1 Ws 61/14; LG München StV 1998, 384 [für Wirtschaftsstrafverfahren]).
☆ Haben sich im Laufe des Verfahrens die Umstände geändert , muss der HB angepasst werden (OL...