Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Verteidiger muss sich sorgfältig mit den an die Begründung des Urteils zu stellenden Anforderungen beschäftigen.
2. An die Gründe des tatrichterlichen Urteils werden nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rspr. in OWi-Sachen grds. keine hohen Anforderungen gestellt.
3. Die Gründe des Urteils müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die richtige Rechtsanwendung nachprüfen kann.
4. Es ist unerlässlich, dass der Tatrichter die von ihm für erwiesen angesehenen Tatsachen, in denen die objektiven und subjektiven gesetzlichen Merkmale der Verkehrsordnungswidrigkeiten gesehen werden, angibt.
5. Auch im OWi-Verfahren muss das tatrichterliche Urteil eine Beweiswürdigung enthalten.
6. Im Urteil muss auch eine Auseinandersetzung mit einem ggf. eingeholten SV-Gutachten erfolgen.
 

Rdn 3740

 

Literaturhinweise:

Cierniak, Zu den Anforderungen an die Begründungspflicht des Gerichts bei Verhängung eines Regelfahrverbotes, NZV 1998, 293

ders., Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen, zfs 2012, 664

Cierniak/Niehaus, Akteneinsichts- und Offenlegungsrecht im Bußgeldverfahren, DAR 2014, 2

dies., Rechtsbeschwerde und Zulassungsantrag im Ordnungswidrigkeitenverfahren, DAR 2020, 69

Deutscher, Das Absehen von Urteilsgründen im Bußgeldverfahren, VRR 2013, 448

Fromm, Zu den Anforderungen an die schriftlichen Urteilsgründe in Bußgeldsachen, DAR 2013, 665

ders., Hauptverhandlung oder "Scheinverhandlung" vor Gerichten in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen, zfs 2020, 368

Gercke/Wollschläger, Videoaufzeichnungen und digitale Daten als Grundlage des Urteils, StV 2013, 106

Grube, Zum sog. qualifizierten Geständnis bei Geschwindigkeitsverstößen, DAR 2013, 601

Simon, Nachträgliche Abänderung eines abgekürzten Bußgeldurteils, Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen und Absehen vom Fahrverbot bei länger zurück liegender Tat – eine Anmerkung zum OLG Brandenburg vom 14.6.2021 (DAR, 2022, 280, in diesem Heft), DAR 2022, 293

Staub, Zum Verweis auf Fotos von Vergleichspersonen zum/zur Betroffenen i.S.d. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO, der über § 71 Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren gilt – zugleich eine Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2019 Az. IV-3 RBs 168/18, DAR 2019, 231

Strüwe, Verteidigung in Fällen "Aussage gegen Aussage" im Ermittlungs-, Haupt- und Revisionsverfahren, StRR 2009, 284

Theune, Polizeibeamte als Berufszeugen in Strafverfahren, StV 2020, 321

s. auch die Hinw. bei → Abstandsmessung, Urteil, tatsächliche Feststellungen, Rdn 107

→ Fahrverbot, Allgemeines, Rdn 1493

→ Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Allgemeines, Rdn 2179

→ Rotlichtverstoß, Urteil, Allgemeines, Rdn 3378 und → Trunkenheitsfahrt, Urteil, tatsächliche Feststellungen, Rdn 3563.

 

Rdn 3741

 

1. Hinweis für den Verteidiger!

Der Verteidiger muss sich sorgfältig mit den an die Begründung des Urteils zu stellenden Anforderungen beschäftigen. Denn Verteidigung im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren ist immer auch eine Verteidigung auf Zeit insofern, als es mit zunehmender Dauer zwischen Tat und Urteil immer einfacher wird, ggf. allein wegen der langen Zeitdauer ein Absehen vom Fahrverbot zu erreichen (→ Fahrverbot, Absehen, Zeitablauf, Rdn 1476). Deshalb kann es von entscheidender Bedeutung sein, wenn das amtsgerichtliche Urteil nicht ausreichend begründet worden ist und ggf. deshalb vom OLG aufgehoben wird. Durch die Zurückverweisung und Neuverhandlung kann nämlich so viel Zeit vergehen, dass dann die Aufhebung des Fahrverbots gerechtfertigt ist (vgl. z.B. den Hinw. in OLG Hamm VRR 2010, 323 [Ls.]). Der Verteidiger muss daher auf jeden Fall Fehler bei der Begründung des Urteils in der Rechtsbeschwerde geltend machen, um so ggf. eine Aufhebung des Urteils zu erreichen (→ Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 m.w.N.).

 

Rdn 3742

Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich daher mit den allgemeinen Anforderungen an das tatrichterliche Urteil und an die tatrichterliche Beweiswürdigung. Sie geben allerdings nur einen Überblick. Wegen weiterer Einzelheiten wird verwiesen auf Göhler/Seitz/Bauer (§ 71 Rn 42 ff.), KK/Senge (§ 71 Rn 106 ff.) und auch auf die Kommentierung bei Meyer-Goßner/Schmitt zu § 267 StPO, die für das Bußgeldverfahren entsprechend gilt. Darüber hinaus wird verwiesen auf → Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, allgemeine Feststellungen, Rdn 2163; → Rotlichtverstoß, Urteil, Allgemeines, Rdn 3378; → Trunkenheitsfahrt, Urteil, tatsächliche Feststellungen, Rdn 3563; → Drogenfahrt, Urteil, tatsächliche Feststellungen, Rdn 764 und auch auf → Abstandsmessung, Urteil, tatsächliche Feststellungen, Rdn 107, jew. m.w.N. Bei diesen Stichworten sind die Besonderheiten hinsichtlich der Feststellungen der dort erwähnten Verkehrsordnungswidrigkeiten dargestellt. Wegen der Rechtsfolgen Fahrverbot (§ 25 StVG) und Geldbuße (§ 17 OWiG) und Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 29a OWiG) wird verwiesen auf → Fahrverbot, Anforderungen an das Urteil,...

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