Rz. 7
Die Folgen dieser Konkurrenz scheinen trotz der Entscheidungen des BGH vom 7.12.2011 (XII ZR 159/09 und XII ZR 151/09) und trotz des Beschlusses vom 7.5.2014 (XII ZB 258/13) nicht abschließend geklärt. Neben vielen Detailfragen (vgl. Fälle 33 ff.) hat die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldner besondere Bedeutung – insb. die Frage, ob auf dieser Prüfungsebene die vom BVerfG für die Ebene der Bedarfsermittlung verworfene "Dreiteilung" erfolgen kann. Stark vereinfacht kann die Problematik wie folgt dargestellt werden:
1. Ehegattenunterhaltsanspruch der F1
a) Bedarf der F1: Halbteilungsgrundsatz
Rz. 8
Eheprägendes Einkommen des M
▪ |
eheprägende Unterhaltspflichten sind abzuziehen, insb. der Unterhalt für Kinder aus der ersten Ehe |
▪ |
Unterhaltspflichten für Kinder aus einer anderen Beziehung können nur abgezogen werden, wenn diese Verpflichtung die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, typischerweise also dann, wenn das Kind schon vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurde |
▪ |
der Unterhalt für F2 hat die Ehe nicht geprägt und ist deshalb nicht abzuziehen. Anders, wenn es sich um den Unterhaltsanspruch einer nichtehelichen Kindsmutter handelt und das Kind schon vor Rechtskraft der Scheidung geboren wurde. |
▪ |
ein Steuervorteil (Einkommensteuerermittlung nach dem sog. Splitting-Verfahren bei Zusammenveranlagung) aus der zweiten Ehe hat die erste Ehe nicht geprägt und ist deshalb abzuziehen. |
Eheprägendes Einkommen der F1
Der Bedarf der F1 ist – abgesehen von den Fällen der konkreten Bedarfsbestimmung – die Hälfte der Summe der beiden Einkommen
b) Ungedeckter Restbedarf (konkrete Unterhaltshöhe)
Rz. 9
Die Höhe des Unterhalts hängt davon ab, wie viel des Bedarfes der F1 durch deren eigenes Einkommen gedeckt ist
Der so ermittelte Unterhalt der F1 ist ein vorläufiger Wert, weil – um die Leistungsfähigkeit des M aufrechtzuerhalten, also um seinen Selbstbehalt zu wahren – die Unterhaltspflicht gegenüber F2 zu berücksichtigen ist.
2. Ehegattenunterhaltsanspruch der F2
a) Bedarf der F2: wiederum Halbteilungsgrundsatz
Rz. 10
Eheprägendes Einkommen des M
▪ |
eheprägende Unterhaltspflichten sind abzuziehen, insb. der Unterhalt für Kinder aus der ersten Ehe und auch aus der zweiten Ehe, aber auch der Ehegattenunterhalt für F1 |
▪ |
der Unterhalt für F1 hat die Ehe von M und F2 geprägt und ist deshalb ebenfalls abzuziehen |
▪ |
der Steuervorteil aus der zweiten Ehe (Einkommensteuerermittlung nach dem sog. Splitting-Verfahren bei Zusammenveranlagung) ist zu berücksichtigen |
Der Bedarf der F2 ist die Hälfte der Summe der beiden Einkommen.
b) Ungedeckter Restbedarf (konkrete Unterhaltshöhe)
Rz. 11
Die Höhe des Unterhalts hängt davon ab, wie viel des Bedarfes der F2 durch deren eigenes Einkommen gedeckt ist.
3. Leistungsfähigkeit des M: eheangemessener Selbstbehalt
Rz. 12
M darf nicht weniger verbleiben, als einem Ehegatten, dem er Unterhalt leistet (eheangemessener Selbstbehalt; Grundsatz gleicher Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen).
Im Verhältnis zu F2 ist dies grds. unproblematisch, weil bei der Bestimmung des Bedarfs der F2 – neben dem Kindesunterhalt – auch bereits der Unterhalt für F1 abgezogen war. Die anschließende Halbteilung gewährleistet, dass M nicht weniger hat als F2.
Im Verhältnis zu F1 können sich Schwierigkeiten ergeben. Nach der Halbteilung im Verhältnis M/F1 verblieb M eben die Hälfte. Soweit von dieser Hälfte weitere Mittel für den Unterhalt für F2 abfließen, ist der eheangemessene Selbstbehalt (Grundsatz gleicher Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen) im Verhältnis zu F1 nicht mehr gewahrt (relativer Mangelfall).
a) Ausbleiben eines relativen Mangelfalls
Rz. 13
Der eheangemessene Selbstbehalt des M wird nicht berührt, wenn nach der Scheidung seiner Ehe mit F1 sein Einkommen so angestiegen ist, dass die hinzutretende Unterhaltspflicht gegenüber F2 seinen "Hälfteanteil" aus der Halbteilung im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen ihm, M, und F1 nicht berührt.
Beispiel (extrem vereinfacht):
M hat bereinigt 6.000 EUR. Er zahlt F1 3.000 EUR Unterhalt. Ihm verbleiben 3.000 EUR. M heiratet F2. Sie hat wie F1 kein Einkommen. Müsste M für F1 aus den ihm verblieben 3.000 EUR Unterhalt in Höhe von 1.500 EUR zahlen, verblieben ihm nur noch 1.500 EUR. Im Verhältnis zu F1 wäre der eheangemessene Selbstbehalt (im Bsp. 3.000 EUR) nicht mehr gewahrt. Hat sich das Einkommen des M nach der Scheidung aber in einer Weise erhöht, die F1 nicht mehr zugutekommt (z.B. Karrieresprung: 1.700 EUR; Mieteinnahmen aus geerbter Eigentumswohnung: 1.700 EUR), so hat er 6.400 EUR (3.000 + 1.700 +1.700), von denen er die Hälfte (3.200 EUR) an F2 zahlen müsste. Ihm blieben 3.200 EUR, also mehr als die 3.000 EUR, die er an F1 zahlen muss. Der eheangemessene Selbstbehalt im Verhältnis zu F1 ist dann weiterhin gewahrt.
b) Eintritt eines relativen Mangelfalls
Rz. 14
Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen, wie meist, ein Unterhaltsanspruch der F2 – oder von Kindern aus einer neuen Beziehung – mangels (ausreichender) Einkommenserhöhung auf Seiten des M dazu führt, dass sein eheangemessener Selbstbehalt im Verhältnis zu F1 nicht mehr gewahrt ist. Dies dürften in der Praxis die meisten Fälle sein.
§ 1581 eröffnet dann die Möglichkeit, den Unterhalt der F1 zu kürzen, um das Gleichgewicht im Verhältnis zwischen M und F1 wieder herzustellen.
Hierbei ist das Rang von F1 und F2 von Bedeutung.
aa) F2 gegenüber F1 nachrangig
Rz. 15
Eine Kürzung des Unterhalts der F1 ist bei...