Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Die Gemeinschaft kann die Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen, auch wenn der Anspruch nur (noch) einem einzigen Eigentümer zustehen sollte
- Sind hier Ansprüche auf den Verband übertragen worden, entfällt für den einzelnen Eigentümer grundsätzlich das Recht, solche Ansprüche individuell verfolgen zu können
- Sind in einer Mehrhausanlage einzelnen Untergemeinschaften durch Vereinbarung bestimmte Beschlusskompetenzen in nur sie betreffenden Verwaltungsangelegenheiten eingeräumt, berührt dies nicht die Beschlusskompetenz aller Eigentümer (der übergeordneten Gesamtgemeinschaft), die Geltendmachung bestimmter Gewährleistungsansprüche auf den Verband auch dann zu übertragen, wenn nicht sämtliche Eigentümer von den streitgegenständlichen Mängeln und Maßnahmen betroffen sein sollten
Normenkette
§ 10 Abs. 6 WEG
1. Zum Sachverhalt
In der Teilungserklärung war vereinbart, dass einzelne Häuser wirtschaftlich selbstständige Untergemeinschaften bilden und diese in eigenen Angelegenheiten auch entscheidungsbefugt sein sollten; in Angelegenheiten, die alle Untereinheiten beträfen und zwingend gemeinschaftlich zu erledigen seien, sollte es hingegen bei Entscheidungskompetenz aller Eigentümer (der "großen Eigentümerversammlung") verbleiben. In der großen Eigentümerversammlung wurde ein Beschluss gefasst, die Verwaltung zu beauftragen, Mängelbeseitigungsansprüche (an Fenstern) geltend zu machen.
Während das Amtsgericht unter Hinweis auf die getroffene Trennungsvereinbarung Klagebefugnis der Gemeinschaft ablehnte (fehlende Beschlusskompetenz der "großen" Eigentümerversammlung), hatte die Berufung der Beklagten Erfolg.
2. Aus den Gründen
2.1 § 10 Abs. 6 WEG begründet das Recht und die Pflicht des insoweit rechtsfähigen Verbands, gemeinschaftsbezogene Angelegenheiten wahrzunehmen und durch Mehrheitsbeschluss an sich zu ziehen. Insoweit kann auch ein Verwalter als Organ der Gemeinschaft entsprechende Vertretungsbefugnis erhalten. In einem solchen Fall entfällt dann für den einzelnen Eigentümer grundsätzlich das Recht, seinen Individualanspruch auf Mängelbeseitigung geltend zu machen (Jennißen, 3. Aufl., § 10 Rn. 62d).
Während werkvertragliche Gewährleistungsrechte auf kleinen Schadensersatz oder auf Minderung ohnehin in der Entscheidungskompetenz der Gesamtgemeinschaft stehen, liegt der Anspruch auf Nacherfüllung zunächst bei den einzelnen Eigentümern; aber auch Mängelbeseitigungsrechte können auf den Verband übertragen werden, wobei es ausreichend ist, dass der Anspruch auch nur einem einzigen Eigentümer zusteht (Jennißen, § 10 Rn. 73 mit Nachweisen auf die BGH-Rechtsprechung).
Vorliegend war der Beschluss zur Vergemeinschaftung auch inhaltlich hinreichend bestimmt und ließ erkennen, welche Rechte von der Gemeinschaft geltend gemacht werden sollten (vgl. auch OLG Dresden v. 31.3.2010, 1 U 1446/09).
Auch besaß die "große" Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechende Beschlusskompetenz, selbst wenn nicht sämtliche Eigentümer der Untergemeinschaften von den streitgegenständlichen Mängeln und Maßnahmen betroffen waren. Es bestand die gemeinschaftliche Verantwortung aller Eigentümer, das Gemeinschaftseigentum in einen ordnungsgemäßen Zustand zu überführen und diesen auch zu erhalten; somit konnten auch alle Eigentümer über die Art der Mängelbeseitigung grundsätzlich insgesamt befinden (zu ausnahmsweise fehlender Rechtfertigung vgl. BGH v. 15.1.2010, V ZR 80/09).
2.2 Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Herstellungsansprüche sind im Übrigen Handwerkeraufträge im Außenverhältnis namens der Gesamtgemeinschaft zu erteilen, was eine teilschuldnerische Haftung aller Eigentümer begründet (h.M.). Gegenstand des vorliegenden Streits ist allerdings nicht die Frage, ob Untergemeinschaften interne Beschlusskompetenzen besitzen können, vielmehr die Frage, ob streitgegenständliche Maßnahmen von der Gesamtgemeinschaft auszuüben sind; hiervon war auszugehen, da nicht von (vollständiger) rechtlicher Unabhängigkeit der Untergemeinschaften zu sprechen war. Auch eine kleine Untergemeinschaft kann nicht die Frage entscheiden, ob der Verband Mängelgewährleistungsansprüche an sich zieht. Bevor sich Fragen des Stimmrechts stellen, ist zunächst die Beschlusskompetenz zu klären. Verfügt die Gemeinschaft über entsprechende Beschlusskompetenz, sind alle Eigentümer abstimmungsbefugt. Auch wenn die Vereinbarung in der Teilungserklärung eine möglichst weitgehende Autonomie der einzelnen Untergemeinschaften zu erreichen versucht, kann die Gemeinschaft Angelegenheiten an sich ziehen, welche die gemeinschaftliche Verantwortung aller Eigentümer, das Gemeinschaftseigentum in einen ordnungsgemäßen Zustand zu überführen, betreffen.
2.3 Selbst wenn in einer einzelnen entscheidungserheblichen Rechtsfrage der BGH noch nicht Stellung genommen hat, rechtfertigt dies für sich genommen noch nicht die Zulassung der Revision (vgl. BGH, Beschluss v. 16.6.2011, V ZR 1/11, ZWE 2011 S. 396).
Kommentar
Bei zulässiger, weitgehend...