Rz. 103
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist bislang kein voll ausgebildetes Rechtsinstitut des ukrainischen Rechts. Vielmehr gilt die obligatorische Zivilehe, die rechtliche Wirkungen grundsätzlich nur entfaltet, wenn sie im Personenstandsregister eingetragen wurde (siehe Rdn 16). Allerdings werden punktuell Rechtsfolgen auch an die nichteheliche Lebensgemeinschaft geknüpft, die denen einer Ehe nahekommen.
I. Voraussetzungen für die Begründung
Rz. 104
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind rechtlich nicht geregelt. Die einschlägigen Bestimmungen sprechen lediglich vom "Zusammenleben als eine Familie" bzw. vom "lang andauernden Zusammenleben als eine Familie". Die Gleichsetzung faktischer ehelicher Beziehungen mit einer förmlich geschlossenen Ehe hinsichtlich bestimmter Rechtsfolgen geht auf das sowjetrussische Ehe- und Familiengesetzbuch von 1926 zurück. Daher können Anhaltspunkte für die Voraussetzungen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus der damaligen Rechtsprechung gewonnen werden. Danach waren die Voraussetzungen einer sog. faktischen Ehe die geschlechtliche Partnerschaft, die häusliche Gemeinschaft und das Auftreten als Paar nach außen. Das Gericht hatte zur Feststellung der faktischen Ehe die tatsächlichen Lebensumstände der Parteien zu prüfen. Das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann auf Antrag vom Gericht festgestellt werden (Art. 315 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).
II. Rechtsfolgen
Rz. 105
Zum einen gelten gem. Art. 74 FGB die gesetzlichen Regelungen für den ehelichen Güterstand für Vermögen, das während der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erworben wird, sofern die Parteien durch einen schriftlichen Vertrag nichts anderes vereinbart haben. Zum anderen erwerben die Parteien einen Unterhaltsanspruch, der dem nachehelichen Unterhaltsanspruch von Ehegatten nahekommt (Art. 91 FGB):
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Wird eine der Parteien während des Bestehens der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erwerbsunfähig (z.B. durch eine Behinderung oder das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters), hat sie nach Beendigung der Lebensgemeinschaft Anspruch auf Unterhalt gem. Art. 76 FGB (siehe dazu Rdn 87). Im Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass eine Lebensgemeinschaft dann als langandauernd angesehen werden kann, wenn diese mindestens zehn Jahre bestanden hat. |
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Einen Unterhaltsanspruch hat sowohl während als auch nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Partei, bei der das gemeinsame Kind lebt (siehe Rdn 35 f.). Der Anspruch wird durch Art. 84 Abs. 2–4, 86 und 88 FGB geregelt. Im Grunde wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft in diesem Punkt der Ehe gleichgestellt. Lediglich der Unterhaltsanspruch während der Schwangerschaft besteht nicht. |
III. Auflösung und Folgen
Rz. 106
Die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist nicht gesetzlich geregelt. Rechtsfolge der Auflösung sind die Vermögensteilung nach den Bestimmungen, die auch für das eheliche Gemeinschaftsvermögen gelten, sowie ggf. Unterhaltsansprüche.
IV. Kollisionsrecht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Rz. 107
Das ukrainische Recht regelt keine speziellen kollisionsrechtlichen Anknüpfungen für die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Es ist denkbar, dass ein ukrainisches Gericht die Anknüpfungsregeln für die Ehe- und die Scheidungsfolgen entsprechend anwenden würde.