1. Scheidung vor dem Standesamt
Rz. 66
Sofern die Ehegatten keine gemeinsamen minderjährigen Kinder haben, kann die einvernehmliche Scheidung vor dem Standesamt erfolgen (Art. 106 Abs. 1 Unterabs. 1 FGB). Es ist ausreichend, dass Einverständnis lediglich hinsichtlich der Ehescheidung selbst besteht. Zur Entscheidung über eventuelle vermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich der Scheidungsfolgen kann nach der standesamtlichen Eheauflösung das Gericht angerufen werden (Art. 106 Abs. 3 FGB). Zuständig ist das Standesamt am Wohnsitz der Ehegatten oder eines der Ehegatten (Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 PStG, Abschnitt III Kap. 3 Ziff. 5 PSt-Regeln). Standesamtliche Ehescheidungen ukrainischer Staatsangehöriger mit ständigem Aufenthalt im Ausland werden von den ukrainischen Konsulaten vorgenommen (vgl. Art. 4 Abs. 2 PStG).
Rz. 67
Das Verfahren ist analog zu dem der Eheschließung geregelt (Abschnitt III Kap. 3 Ziff. 14–18 PSt-Regeln): Die Ehegatten müssen einen gemeinsamen schriftlichen (Formular-)Antrag auf Ehescheidung stellen und im Beisein des Standesbeamten unterzeichnen. Ist einer der Ehegatten am Erscheinen vor dem Standesamt aus triftigen Gründen verhindert, kann der andere Ehegatte den gemeinsamen Antrag einreichen, sofern die Unterschrift des abwesenden Ehegatten notariell oder gleichwertig beglaubigt ist (Art. 106 Abs. 1 Unterabs. 2 FGB). Die Ehescheidung erfolgt nach Ablauf eines Monats nach Antragstellung durch das Standesamt, sofern der Antrag nicht zurückgenommen wurde (Art. 106 Abs. 2 FGB). Zugleich werden die Scheidung in das Personenstandsregister eingetragen, die Scheidungsurkunde ausgestellt und die Scheidung in den Personaldokumenten der Ehegatten vermerkt (Art. 115 Abs. 1, 3 FGB). Die Ehe gilt mit dem Tag der Eintragung der Ehescheidung als aufgelöst (Art. 114 Abs. 1 FGB). Im Fall der gerichtlichen Erklärung eines der Ehegatten für verschollen oder geschäftsunfähig erfolgt die standesamtliche Scheidung unabhängig davon, ob gemeinsame minderjährige Kinder vorhanden sind, auf Antrag des anderen Ehegatten (Art. 107 Abs. 1 FGB).
Rz. 68
Für die einvernehmliche Ehescheidung vor dem Standesamt, einschließlich der Eintragung in das Personenstandsregister und der Ausstellung der Scheidungsurkunden, wird eine Gebühr in Höhe des 0,5-Fachen bzw. des 0,02-Fachen des Mindestarbeitslohns erhoben (Art. 3 Nr. 5 lit. b) Abs. 1, lit. e) GebührenO). Die standesamtliche Ehescheidung auf Antrag eines der Ehegatten in den gesetzlich geregelten Fällen kostet das 0,03-Fache des Mindestarbeitslohns (Art. 3 Nr. 5 lit. b) Abs. 5 GebührenO).
Rz. 69
Die standesamtliche einvernehmliche Ehescheidung kann gem. Art. 106 FGB auf Antrag vom Gericht für fiktiv erklärt werden, wenn die Ehegatten nach der Scheidung weiter in einer Familie leben und keine Absicht hatten, die ehelichen Beziehungen zu beenden (Art. 108 FGB). Antragsberechtigt für die Feststellung einer fiktiven Scheidung ist jeder daran Interessierte.
2. Gerichtliche Scheidung
Rz. 70
Ein Gericht ist für die Ehescheidung nur dann anzurufen, wenn mindestens ein gemeinsames minderjähriges Kind vorhanden ist (mit Ausnahme der Fälle, in denen die Ehe gem. Art. 107 Abs. 1 FGB ungeachtet gemeinsamer Kinder standesamtlich geschieden werden kann: bei Verschollenheit oder Geschäftsunfähigkeit) oder wenn einer der Ehegatten nicht in die Ehescheidung einwilligt (Art. 109, 110 FGB).
Rz. 71
Das Gericht kann Maßnahmen zur Versöhnung der Ehegatten treffen, soweit dies mit den moralischen Grundsätzen der Gesellschaft vereinbar ist (Art. 111 FGB). Bezüglich der Art dieser Maßnahmen lässt der Gesetzgeber dem Richter völlig freie Hand. Praktisch wird es sich dabei zumeist um die Anordnung einer Versöhnungsfrist von maximal sechs Monaten gem. Art. 240 Abs. 7 ZPO handeln, nach deren erfolglosem Ablauf die Scheidung ausgesprochen wird.
Rz. 72
Bei einer einvernehmlichen Scheidung hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob der Scheidungsantrag dem tatsächlichen Willen der Ehegatten entspricht, und sicherzustellen, dass durch die Scheidung die persönlichen Rechte und die Vermögensrechte der Ehegatten sowie die Rechte der Kinder nicht verletzt werden (Art. 109 Abs. 3 FGB). Sofern die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über die Scheidungsfolgen vorlegen, prüft das Gericht diese. Das Gericht spricht die Scheidung nach Ablauf eines Monats seit der gemeinsamen Antragstellung aus (Art. 109 Abs. 4 S. 1 FGB). Vor Ablauf dieser Frist können die Ehegatten den Scheidungsantrag jederzeit zurücknehmen (Art. 109 Abs. 4 S. 2 FGB).
Rz. 73
Bei streitiger Scheidung hat das Gericht die tatsächlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten und die wirklichen Gründe für die Scheidungsklage aufzuklären. Sind minderjährige Kinder unter vierzehn Jahren (vgl. Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 FGB) oder ein behindertes Kind vorhanden, sind diese ebenso wie die sonstigen Lebensumstände der Ehegatten in Betracht zu ziehen (Art. 112 Abs. 1 FGB). Die...