A. Internationales Erbrecht
Rz. 1
Im Verhältnis zur Ukraine ist bei der Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen UdSSR geschlossene Konsularvertrag vom 25.4.1958 vorrangig zu beachten. Deutschland hat mit der Ukraine insoweit die Weiteranwendung vereinbart. Damit gilt gem. Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages im Verhältnis zwischen Deutschland und der Ukraine für die Erbfolge des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens eines ukrainischen Erblassers das deutsche und hinsichtlich des in der Ukraine belegenen Immobilienvermögen eines deutschen Erblassers das ukrainische Belegenheitsrecht. Bezüglich des nicht durch den Konsularvertrag erfassten beweglichen Vermögens hingegen ist das Erbstatut nach den Regeln des jeweiligen autonomen Internationalen Privatrechts (also aus deutscher Sicht nach der EuErbVO, aus ukrainischer Sicht nach den Regeln des IPRG 2005) zu bestimmen.
Rz. 2
Das Internationale Erbrecht der Ukraine ist im Rahmen des Gesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 23.6.2005 geregelt.
Rz. 3
Gemäß Art. 70 IPRG unterliegt die Erbfolge des beweglichen Vermögens dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Stattdessen kann der Erblasser durch testamentarische Verfügung für sein bewegliches Vermögen die Geltung des Rechts des Staates anordnen, dem er angehört. Er kann also sein Heimatrecht wählen. Die Rechtswahl wird allerdings hinfällig, wenn der Testator die Staatsangehörigkeit nach der Rechtswahl wechselt.
Ausgenommen von dieser Regelung sind gem. Art. 71 IPRG die unbeweglichen Vermögensgegenstände. Für diese gilt zwingend das Recht des Lageortes. Ukrainisches Erbrecht gilt ebenfalls zwingend für solche Vermögensgegenstände, die der staatlichen Registrierung unterliegen. Im Verhältnis zu Deutschland ist diese Vorschrift hinsichtlich der Immobilien regelmäßig bedeutungslos, da insoweit das Konsularabkommen ohnehin bereits eine gleichlautende Sonderregelung enthält. Für die Erbfolge anderer Vermögensgegenstände, die in der Ukraine registriert sind, gilt zwingend das Recht der Ukraine.
Rz. 4
Die Ukraine hat nicht das Haager Übereinkommen über die Testamentsform ratifiziert. Ein Testament oder sein Widerruf sind formwirksam, wenn sie den Vorschriften am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers entsprechend errichtet worden sind. Art. 72 IPRG lässt es für die Formwirksamkeit aber auch genügen, wenn das Recht des Errichtungsortes, das Heimatrecht des Erblassers, das am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltende Recht oder aber hinsichtlich von Immobilien das Belegenheitsrecht eingehalten worden ist. Fraglich ist, ob damit auch die Formwirksamkeit eines Erbvertrages umfasst ist. Dafür würde sprechen, dass das ukrainische ZGB neben dem Testament auch den Erbvertrag als Verfügung von Todes wegen anerkennt (siehe Rdn 12).
Rz. 5
Bei den Verweisungen des ukrainischen Rechts handelt es sich gem. Art. 9 Abs. 1 IPRG um Sachnormverweisungen, so dass unmittelbar das materielle Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt gilt. Eine Rückverweisung des deutschen Wohnsitzrechts auf das ukrainische Heimatrecht würde also nicht beachtet werden, so dass ein internationaler Entscheidungseinklang entstände. Ein in der Ukraine lebender deutscher Staatsangehöriger kann dagegen die Anwendung des ukrainischen Wohnsitzrechts aus ukrainischer Sicht vermeiden, indem er (für das bewegliche Vermögen) von der Möglichkeit zur Wahl seines deutschen Heimatrechts nach Art. 70 IPRG Gebrauch macht.
B. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 6
Das ukrainische Erbrecht ist im ukrainischen Zivilgesetzbuch vom 16.1.2003 geregelt, das das alte, noch auf dem sowjetischen Zivilrecht beruhende ZGB von 1963 ersetzt hat. Das neue Recht hat insbesondere die im sozialistischen Recht bestehende Beschränkung der gesetzlichen Erbfolge auf zwei Erbordnungen durchbrochen und auf fünf Erbordnungen erweitert und auch die Möglichkeiten testamentarischer Verfügungen erweitert.
Rz. 7
Gesetzliche Erben erster Ordnung sind gem. Art. 1261 ZGB die Kinder des Erblassers, sein Ehegatte und die Eltern. Dabei besteht kein Unterschied zwischen ehelichen und nichtehelichen, leiblichen und angenommenen Abkömmlingen (Art. 1260 ZGB). Sie alle erben gem. Art. 1267 ZGB zu gleichen Teilen. Für vorverstorbene Kinder, Enkel etc. treten deren jeweilige Abkömmlinge in den Erbteil ein (Repräsentation), Art. 1266 ZGB.
Rz. 8
In zweiter Ordnung erben gem. Art. 1262 ZGB Geschwister und Großeltern des Erblassers. Der Ehegatte ist also "echter" Erbe erster Ordnung, indem er alle weiteren Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt. Auch hier tritt Repräsentation vorverstorbener Angehöriger durch ihre Abkömmlinge – bzw. der vorverstorbenen Großeltern durch ihre Eltern – ein. In dritter Ordnung erben gem. Art. 1263 ...