Leitsatz

Die Beteiligte A. erhielt im Mai 2005 vom dem für sie zuständigen AG einen Berechtigungsschein für rechtliche Beratung und - soweit erforderlich - Vertretung durch einen Rechtsanwalt in der Angelegenheit "Trennung/Scheidung/Folgesachen". Die Beratungshilfe wurde nachträglich auf Antrag des beratenden Rechtsanwalts, des Antragstellers, bewilligt. Von diesem Anwalt hatte sich die Beteiligte A. zuvor bereits beraten lassen mit dem Ergebnis einer Vereinbarung zwischen ihr und ihrem Ehemann für den Fall des Getrenntleben und der Ehescheidung, die notariell beurkundet wurde. Das anhängige Ehescheidungsverfahren wurde durch Urteil vom 27.10.2005 beendet.

Der Antragsteller beantragte die Festsetzung von Beratungshilfe-Gebühren in Höhe von insgesamt 997,60 EUR. Dabei ging er von vier verschiedenen Angelegenheiten aus: Ehescheidung und Versorgungsausgleich/Ehegattenunterhalt/Vermögensauseinandersetzung (Zugewinnausgleich), Hausrat und Ehewohnung/Sorgerecht und Umgangsrecht. Für jede der Angelegenheiten brachte er eine Geschäftsgebühr von 70,00 EUR gem. Nr. 2603 RVG-VV i.d.F. bis zum 30.6.2006, eine Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125,00 EUR gem. Nr. 2608 RVG-VV a.F., eine Auslagenpauschale von 20,00 EUR gem. Nr. 7002 RVG-VV und 16 % Mehrwertsteuer, insgesamt damit je einen Betrag von 249,40 EUR in Ansatz.

Der Rechtspfleger akzeptierte mit Beschluss vom 26.7.2005 den Ansatz von vier Angelegenheiten, reduzierte jedoch bezüglich des Versorgungsausgleichs und der Ehescheidung die beantragten Gebühren um die Einigungs- und Erledigungsgebühr von 125,00 EUR, so dass sich hierfür jeweils ein Betrag von 93,88 EUR statt 249,40 EUR errechnete. Insgesamt kam der Rechtspfleger zu einem Erstattungsbetrag von 686,56 EUR. Dieser Betrag wurde festgesetzt unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge.

Die Bezirksrevisorin legte gegen diesen Festsetzungsbeschluss Erinnerung ein mit dem Ziel, die Beratungshilfe-Vergütung auf 249,40 EUR festzusetzen mit der Begründung, es sei lediglich von einer einzigen Angelegenheit auszugehen. Die Erinnerung wurde durch Beschluss des AG zurückgewiesen, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss der 5. Zivilkammer des LG, mit dem die weitere Beschwerde zum OLG Stuttgart wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen wurde.

Die weitere Beschwerde wurde von der Bezirksrevisorin am 10.8.2006 erhoben. Die Beteiligten stritten weiter darüber, ob bei der Abrechnung der Beratungshilfe-Vergütung von einer Angelegenheit oder von mehreren auszugehen sei.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die weitere Beschwerde für teilweise begründet.

Den Begriff der "Angelegenheit" i.S.d. Beratungshilfegesetzes komme besondere Bedeutung zu, da bei mehreren Angelegenheiten der Rechtsanwalt die Festgebühren mehrmals, bei einer Angelegenheit jedoch nur einmal erhalte. Auf den Umfang der Tätigkeit komme es nicht an.

Eine nähere Bestimmung des Begriffs der "Angelegenheit" finde sich im Beratungshilfegesetz nicht, wohl aber in §§ 15 ff. RVG. Aus §§ 15, 22 Abs. 1 RVG ergebe sich, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach.

Da bei den Pauschgebühren der Beratungshilfe das Korrektiv des Gegenstandswertes fehle, komme der Abgrenzung, wann eine und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen seien, erhebliche praktische Bedeutung zu. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 31.10.2001 (BVerfG AGS 2002, 273) ausgeführt, dass der Begriff der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden dürfe, es komme aber auf den konkreten Einzelfall an.

Abzugrenzen sei darüber hinaus der Begriff der "Angelegenheit" vom engeren Begriff des "Gegenstands", der sich auf das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis beziehe. Gerade in Familiensachen sei die Problematik erheblich umstritten. So werde zum Teil vertreten, dass es sich insgesamt um eine einzige Angelegenheit handele, gleichgültig, ob es um Trennungsunterhalt, Ehescheidung, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Kindesunterhalt, nachehelichen Ehegattenunterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht, Hausratsverteilung usw. gehe, weil Ursprung der einheitliche Lebenssachverhalt des Scheiterns der Ehe sei (OLG Nürnberg v. 30.3.2004 - 7 WF 719/04, OLGReport Nürnberg 2004, 322 = MDR 2004, 1186; LG Flensburg, Beschl. v. 7.6.2002 - 5 T 67/02 - veröffentlicht in Juris; OLG München v. 4.12.1987 - 11 WF 1369/87, MDR 1988, 330; je m.w.N.).

Die andere Auffassung betone die Selbständigkeit und Verschiedenartigkeit der einzelnen Familiensache und gehe deshalb von verschiedenen Angelegenheiten aus (AG Brandenburg/H v. 24.11.2005 - 51 II 1060/05, FamRZ 2006, 638; OLG Hamm FamRZ 2005, 532; LG Neuruppin v. 5.12.2002 - 5 T 309/02, FamRZ 2004, 41; LG Hannover JurBüro 1987, 220; OLG Düsseldorf v. 7.10.1985 - 10 WF 192/85, MDR 1986, 157; OLG Braunschweig JurBürop...

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