Leitsatz
Der biologische - nicht rechtliche - Vater machte ein Umgangsrecht mit den in einer bestehenden Ehe im Dezember 2005 geborenen Zwillingen geltend. Die Kindesmutter lebte weiterhin mit ihrem Ehemann (dem rechtlichen Vater) mit den beiden, außerehelich von dem Antragsteller gezeugten, sowie drei weiteren aus der Ehe hervorgegangenen Kindern in einem sozial-familiären Zusammenhang.
Nach Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens hat das erstinstanzliche Gericht Umgang des Antragstellers mit den Zwillingen angeordnet, der monatlich für 1 Stunde, zunächst im Rahmen begleiteten Umgangs, stattfinden sollte. Der leibliche Vater habe ein Umgangsrecht nach § 1685 BGB. Zwar habe er bisher keine tatsächliche Verantwortung für die Kinder getragen. Hierzu habe jedoch noch keine Möglichkeit bestanden, da die Kinder erst im Dezember 2005 geboren worden waren. Nach den Feststellungen der Sachverständigen diene es gerade wegen der afro-deutschen Abstammung dem Wohl der Kinder, eine Beziehung zu ihrem leiblichen Vater aufzubauen. Nur so sei eine Identifikationsbildung möglich.
Gegen diese Entscheidung legten die Antragsgegner (die Kindesmutter und ihr Ehemann) Beschwerde ein.
Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG verneinte ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters nach § 1684 BGB, da er nicht der Vater der beiden Kinder sei. Zum Umgang könne nur derjenige mit dem Kind verpflichtet werden, der Elternverantwortung trage. Nach § 1592 Nr. 1 BGB sei Vater des Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war. Dies sei der Ehemann der Kindesmutter. Solange die Vaterschaft des rechtlichen Vaters bestehe, könne der biologische Vater die Vaterschaft nicht anerkennen. Die Anfechtung sei ebenfalls nicht möglich, da die Kinder mit ihrem rechtlichen Vater in einer sozial-familiären Beziehung lebten.
Ein Umgangsrecht des biologischen Vaters aus § 1685 Abs. 2 BGB wurde ebenfalls verneint. Zwar könne der leibliche Vater grundsätzlich als enge Bezugsperson in Betracht kommen, weitere Voraussetzung sei allerdings das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zu dem Kind in Gegenwart oder Vergangenheit. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.
Es verstoße nicht gegen Grundrechte des lediglich biologischen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG, das Umgangsrecht aus § 1684 BGB an die rechtliche Elternstellung zu knüpfen. Inhaber des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG sei derjenige, der zugleich die Elternverantwortung trage, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründe. Inhaber dieser Rechtsposition sei der rechtliche Vater, der seine Elternrechte und -pflichten nicht allein dadurch verliere, dass die leibliche Vaterschaft des Antragstellers feststehe.
Daneben komme eine elterliche Verantwortung des biologischen Vaters nicht in Betracht. Das Nebeneinander von zwei Vätern entspräche nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zugrunde läge (BVerfG, Beschl. v. 09.04.2003 - 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01 - FamRZ 2003, 816, 819).
Art. 6 Abs. 1 GG schütze die Beziehung des leiblichen, aber nicht des rechtlichen Vaters, wenn zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung bestehe. Dieser Schutz entstehe jedoch nicht schon aus dem Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind entstehen zu lassen.
Die Versagung des Umgangsrechts führe dazu, dass zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern eine Beziehung nicht entstehen könne. Dieses Ergebnis trage aber dem Umstand Rechnung, dass die Kinder in einer Familie lebten und einen Vater hätten. Der rechtliche Vater übernehme auch tatsächlich die Aufgabe eines Vaters. Es entspreche der gesetzgeberischen Wertung, der rechtlichen und gelebten Elternbeziehung den Vorrang vor der allein auf Abstammung beruhenden Vaterbeziehung zu geben.
Auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK sei es nicht geboten, dem Antragsteller ein Umgangsrecht einzuräumen. Der EGMR habe mehrfach entschieden, dass der Begriff des Familienlebens sich nicht nur Beziehungen beschränke, die sich auf einer Ehe gründen, sondern auch faktische Familienbande erfasse, wenn die Beteiligten außerhalb einer Ehe zusammenlebten oder sonst ein soziales familiären Band bestehe.
Ein solches Familienband habe nicht bestanden.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe schafft Klarheit für die Grenzen des Umgangsrechts gegenüber dem Bedürfnis des Kindes, in einem gesicherten rechtlichen und sozial-familiären Rahmen ungestört aufwachsen zu können. Im Interesse des Kindeswohl ist dieses Bedürfnis höherrangig zu werten als die biologische Herkunft.
Die Entscheidung stützt sich auf eine unveröffentlichte Entscheidung des BVerfG vom 20.09.2006 (1 BvR 1337/06). Bei dieser Entscheidung dürfte es sich um eine der letzten vor der Entscheidung des BVerfG vom 13.02.2007 zu der Frage der heimlichen Vaterschaftstests als unzulässiges Beweismittel und der Frage der Verfassungsmäßigkeit der § 1600 ff. BGB gehandelt ha...