Leitsatz
Ein 5 Jahre altes nichtehelich geborenes Kind begehrte - vertreten durch seine Mutter - ein Umgangsrecht mit seinem Vater. Kontakte zwischen Vater und Sohn hatten seit der Geburt des Kindes nicht stattgefunden. Der Vater wehrte sich gegen einen Umgang mit seinem Sohn und verweigerte jeglichen Umgang mit dem Kind.
Sachverhalt
Der ca. 5 Jahre alte Antragsteller ist das nichtehelich geborene Kind des Antragsgegners, der die Vaterschaft anerkannt hatte. Der Antragsteller entstammte einer langjährigen außerehelichen Beziehung des anderweitig verheirateten Antragsgegners mit der Kindesmutter. Er beendet diese Beziehung wegen der Schwangerschaft mit dem Antragsteller.
Kontakte zwischen Vater und Sohn hatte es nie gegeben. Der Antragsgegner wehrte sich hiergegen mit der Begründung, der Umgangswunsch könne im Hinblick auf das Alter des Kindes nicht dessen Willen entsprechen, vielmehr sei er allein Ausdruck des Wunsches der Kindesmutter, die außereheliche Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Im Übrigen gefährde jeglicher Umgang mit dem Antragsteller seine Ehe. Seine Ehefrau habe die Existenz des außereheliches Kindes nur mit Mühe akzeptiert und ihm gedroht, ihn zu verlassen, wenn er den Antragsteller sehe und Umgang zu ihm pflege.
Der Antragsteller hat - vertreten durch seine Mutter - beim AG einen Antrag auf Umgang mit seinem Vater eingereicht. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er nach wie vor Umgang mit seinem Vater anstrebt, dessen Umfang er in das Ermessen des Gerichts gestellt hat.
Das Rechtsmittel des Antragstellers hatte in der Sache Erfolg.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, nach § 1684 Abs. 1 BGB habe der Antragsteller das Recht auf Umgang mit seinem leiblichen Vater. Nach derselben Vorschrift sei der Vater verpflichtet, den Umgang wahrzunehmen. Die Begründung des FamG in seinem antragabweisenden Beschluss, wonach ein durch eine gerichtliche Entscheidung vorgegebener Umgang nicht dem Kindeswohl entspreche, entspreche der Rechtslage nicht. Das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass angesichts des subjektiven Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen eine Einschränkung des Umgangsrechts oder dessen Ausschluss nur in Betracht komme, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich sei. Die gesetzliche Bestimmung des § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB korrespondiere mit der Verpflichtung beider Eltern, mithin auch des Vaters eines nichtehelichen Kindes, aus Abs. 2 der vorgenannten Bestimmung, wonach Eltern alles zu unterlassen hätten, was die Erziehung erschwert.
Vor diesem Hintergrund sei der Einwand des Antragsgegners unbeachtlich, er habe keine Beziehung zu seinem Sohn und wolle diese auch nicht aufbauen. Er verkenne, dass das Umgangsrecht des Kindes nicht allein dem Erhalt bestehender Beziehungen zwischen Eltern und Kindern diene, sondern auch dem im Interesse des Kindeswohls erforderlichen Neuaufbau einer solchen Beziehung unter anderem auch unter dem Gesichtspunkt, den weiteren Elternteil als "Reserve-Elternteil" zu erhalten. Auch durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken standen einer Umgangspflicht des Kindesvaters nach Auffassung des OLG nicht entgegen.
Weder die Rechte des Kindesvaters aus Art. 2, noch aus Art. 6 Abs. 1 GG seien verletzt.
Bei verfassungsgemäßer Auslegung und Anwendung des § 1684 BGB sei im konkreten Fall eine Verletzung des Grundrechtsschutzes für Ehe und Familie auch dann nicht ersichtlich, wenn der Begriff der "Familie" in Art. 6 Abs. 1 GG im engeren Sinne zugrundegelegt und auf die bestehende eheliche Lebensgemeinschaft des Antragsgegners mit seiner Ehefrau und den ehelichen Kindern bezogen werde. Der tatsächliche Eingriff, der den Antragsgegner und seine Familie durch die Umgangsverpflichtung mit seinem nichtehelichen Kind hinnehmen müssten, sei jedenfalls eher geringfügig und nicht unverhältnismäßig. Durch das Umgangsrecht bleibe der räumliche Bereich des Familienlebens unangetastet. Auch der Zeitaufwand, den der Antragsgegner aufwenden müsse, wenn er seiner Familie einmal im Vierteljahr während weniger Stunden nicht zur Verfügung stehe, stelle keinen verfassungsrechtlich relevanten Eingriff in den grundsätzlich geschützten Bereich der Familie dar.
Die Drohung der Ehefrau des Antragsgegners, ihn im Falle einer - auch gerichtlich angeordneten - Umgangsanbahnung mit dem Antragsteller zu verlassen, könne ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Ungeachtet dessen, dass diese Androhung wenig verständlich sei, könne sie hiermit die Durchsetzung der Rechtsordnung nicht in Frage stellen.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 21.01.2004, 15 UF 233/00