Dr. Klaus-Peter Horndasch
Die "Durchsetzungsspirale" zum Umgang gilt selbstverständlich nicht nur bei Anordnungen betr. das Recht des Erwachsenen auf Umgang mit dem Kind, sondern ebenso auch für das Recht des Kindes auf Umgang mit dem nicht mit ihm zusammenlebenden Elternteil.
Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings am 1.4.2008 im Hinblick auf die Pflicht der Eltern zum Umgang mit ihrem Kind erklärt, dass ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl dient.
Der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit ist danach nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist aber nicht dahingehend missverstehen, dass die Zwangsmittelandrohung gegen umgangsunwillige Eltern grundsätzlich unmöglich geworden ist. Es ist im Ergebnis schlicht nach dem Alter und dem psychischen Zustand des betroffenen Kindes zu differenzieren.
Umgang muss dem Kindeswohl dienen. Es geht, anders als etwa bei der Frage begleiteten Umgangs oder des Umgangsausschlusses, nicht um die Abwägung einer Gefährdung des Kindeswohls.
Grundsätzlich gilt, dass der Umgang des Kindes seinem Wohl dienlich, ja "für seine Entwicklung von herausragender Bedeutung" ist.
Vom Umgang ausübenden Elternteil wird ein verantwortungsvoller, dem Kindeswohl dienender Umgang gefordert.
Wird ein Elternteil jedoch durch den Druck, der auf ihn ausgeübt wird, zum Umgang gezwungen, steht dies nicht nur seinem Willen entgegen. Der Widerwille, der mit der ablehnenden Haltung gegenüber dem Kind verbunden ist, kann bei erzwungenem Umgang nicht ohne Auswirkungen auf das Kind bleiben. Das Kind erfährt nicht die mit dem Umgang bezweckte elterliche Zuwendung, sondern muss Ablehnung spüren, und zwar nicht von irgendeinem Dritten, sondern gerade von seinem Elternteil.
Dies birgt die Gefahr, so das Bundesverfassungsgericht, dass das Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt, da es nicht verstehen kann, dass sein Elternteil nichts von ihm wissen will und sich abweisend verhält. Das Kind sucht die Schuld bei sich. Damit wird nicht das Wohl des Kindes gefördert, sondern ihm geschadet. Die Wirkung, die mit dem kindlichen Umgangsrecht verbunden sein soll, verkehrt sich in ihr Gegenteil.
Anderes muss allerdings in zwei unterschiedlichen Fallgestaltungen gelten:
- Wenn das betroffene Kind bereits eine stabile Persönlichkeitsentwicklung durchlaufen hat, kann eine reale Chance bestehen, dass das Kind in der Lage ist, durch sein eigenes unbefangenes, freundliches Verhalten den Widerstand des den Kontakt zu ihm meidenden Elternteils aufzulösen. Damit kann ein zunächst erzwungener Umgang doch dem Kindeswohl dienen.
- Regt sich im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter der Wunsch danach, seinen anderen Elternteil kennenzulernen, geht es ihm meist um ein – vielleicht nur einmaliges – Zusammentreffen. Dann kann die Erfüllung dieses Wunsches gewichtiger sein als die möglicherweise damit verbundene Erfahrung, dass dieser Elternteil nichts von ihm wissen will.
Wann solche Fälle vorliegen, wird aber nur im Einzelfall und in der Regel ausschließlich durch – ggf. ergänzende – Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beantworten sein.
Namentlich im erstgenannten Fall wird jedoch schwer vorhersehbar sein, wie sich die Empfindungen des umgangsunwilligen Elternteils in der konkreten Umgangssituation entwickeln. Es werden daher auch nur Fälle denkbar sein, bei denen nach dem Alter des Kindes und einer weitgehend abgeschlossenen Phase der Pubertät die notwendige Stabilität vorhanden ist, auch die evtl. andauernde Ablehnung zu verkraften.
Bei Kindern, die noch nicht zu einer stabilen Persönlichkeit herangereift sind, ist aber zunächst davon auszugehen, dass der erzwungene Umgang ihrem Wohl nicht dienlich ist.
Damit ist die Zwangsvollstreckung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 88 ff. FamFG in den Fällen der Pflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern aber nicht aufgehoben. Sie ist im Hinblick auf das Kindeswohl in verfassungskonformer Weise ausgelegt.
In der Praxis wird in solchen Fällen zu beachten sein, dass frühzeitig versucht wird, durch einzuholende Sachverständigengutachten neben der Frage, ob der Umgang dem Kindeswohl dient, auch die Frage beantwortet zu bekommen, ob bei einer etwaigen, notwendigen Vollstreckung Belange des Kindeswohls berührt sind.
1.2.1 Antrag auf Verpflichtung zum Umgang
In einem Antrag auf Durchsetzung des Umgangs zu einem Erwachsenen durch das Kind sollte es nicht um ein "Dauerrecht" gehen. Dies wird in der Regel nicht angeordnet werden können. Der für das Kind erwünschte Effekt wird aber bei einmaliger Kontaktpflicht erreicht werden können. Umgekehrt wird man in der Regel ein solches Recht auch nicht gezwungen sein, mit Zwangsmitteln zu vollstrecken.
Ein Antrag könnte...