Dr. Klaus-Peter Horndasch
Die Grundsatzentscheidung des BGH zum sogenannten paritätischen Wechselmodell vom 1.2.2017, wonach dessen Anordnung als Umgangsregelung und auch bei diesbezüglich am Eltern des Seins ergehen könne, hat zur Frage geführt, ob die Einordnung des Wechselmodells eine Frage des Sorgerechts oder des Umgangsrechts ist. Auch nach der Entscheidung des BGH ist die Einordnung hinsichtlich der gerichtlichen Herbeiführung einer geteilten elterlichen Kinderbetreuung weiterhin unklar.
Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist uneinheitlich.
So schließt der 4. Senat des OLG Frankfurt/M. in einem Beschluss vom 5. 12.2018 die verfahrensrechtliche Möglichkeit der Anordnung einer von ihm für kindeswohldienlich erachteten geteilten Kindesbetreuung in dem dortigen sorgerechtlichen Beschwerdeverfahren aus und etabliert konsequenterweise unter Aufhebung der angefochtenen erstinstanzlichen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil wieder die gemeinsame elterliche Sorge, weil eine sorgerechtliche Durchsetzung eines Wechselmodells voraussetze, dass ein Elternteil – dem dann das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen sei – diese Form der hälftigen Betreuungsaufteilung befürworte und umsetzen werde und der andere zu dieser Betreuungsform dann auch bereit sei. Weil in dem zu entscheidenden Sachverhalt beide Eltern das Kind allein betreuen wollten, werde nun das Familiengericht in einem neu einzuleitenden Umgangsverfahren die wechselweise Betreuung anordnen müssen.
Demgegenüber bestätigt das Oberlandesgericht Brandenburg mit Beschluss vom 11.3.2019 eine von dem Amtsgericht ausgesprochene vorläufige sorgerechtliche Anordnung einer paritätischen Betreuung. Sehr weitgehend beruft sich der Senat dabei ausdrücklich auf die Entscheidung des BGH vom 1.2.2017, der allerdings offengelassen hatte, ob auch § 1671 BGB als Rechtsgrundlage einer Wechselmodellanordnung dienen könne.
In expliziter Abgrenzung zu der Rechtsauffassung des BGH vertritt der 2. Senat des OLG Frankfurt/M. den Standpunkt, dass eine Betreuungsform, bei der gemeinsame Kinder jeweils zur Hälfte von jedem Elternteil betreut werden, dogmatisch nur in Form einer sorgerechtlichen und nicht auch als Umgangsregelung angeordnet werden könne. Umgang sei, so der 2. Senat, schon dem allgemeinen wie dem juristischen Sprachgebrauch, sowie auch nach den gesetzgeberischen Willen, wie die normative Abstimmung sorgerechtlicher und umgangsrechtlicher Regelungen aufeinander zeige, etwas anderes als "verantwortliche Obhut". Entscheidungen über den Lebensmittelpunkt des Kindes unterfielen ebenso wie solche über eine paritätische Aufteilung dieses Lebensmittelpunktes dem Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Mit gleicher Einordnung überträgt das OLG Brandenburg in einer Entscheidung vom 24.3.2020 dem Elternteil, der die von dem anderen abgelehnte und seitens des OLG für vorzugswürdig erachtete paritätische Betreuung befürwortet, das Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Noch weiter als bisher der BGH geht das Amtsgericht München, das durch einstweilige Umgangsanordnung vom 26.3.2020 einen gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich, wonach das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter und 14-tägigen Wochenendumgang mit dem Vater hatte, mit dem Ziel des Schutzes des Kindes vor der Gefahr einer Infektion mit dem Corona Virus in der Notbetreuung der Kita im Wege einstweiliger Anordnung dahingehend abgeändert hat, dass der im Homeoffice tätige Vater das Kind wöchentlich von montagmorgens bis freitagsnachmittags betreuen sollte, faktisch also den Lebensmittelpunkt des Kindes in einem Umgangsverfahren zum Vater verlagert hat.
Auch das OLG Saarbrücken und des OLG Brandenburg bejahen ebenso weitgehend in zwei jüngeren Entscheidungen die Möglichkeit, den Lebensmittelpunkt eines zuvor jeweils im Wechsel betreuten Kindes im Wege einer Umgangsregelung bei einem Elternteil zu begründen.