Dr. Klaus-Peter Horndasch
Schrifttum und Rechtsprechung sind darüber einig, dass das Wechselmodell nur dann eine Alternative darstellt, wenn die Eltern in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen, zudem beide "hochmotiviert und an den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet" sind und "kontinuierlich kommunizieren und kooperieren" können.
Unverzichtbare Voraussetzung, so heißt es in vielen Entscheidungen weiter, ist ein Konsens zur Durchführung der wechselseitigen Betreuung und ein gemeinsamer Kooperationswille.
Der Wille zur Kooperation um des Kindeswohls willen ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Willen zur Praxis des Wechselmodells. Richtig ist sicher, dass die Einrichtung eines Wechselmodells gegen den Widerstand eines Elternteils nur selten in Frage kommen kann. Sind die übereinstimmenden Voraussetzungen nicht gegeben, kann es, worauf Soyka richtig hinweist, zu Erziehungsdefiziten kommen, die "zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls" führen.
Das OLG Düsseldorf ist darüber hinaus allerdings der Auffassung, gegen den Willen eines Elternteils kann ein Betreuungswechselmodell niemals angeordnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn festgestellt wird, dass die Betreuung im Rahmen des Wechselmodells dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies kann so nicht richtig sein. Entweder entspricht das Wechselmodell eben nicht "am besten dem Kindeswohl", weil es am übereinstimmenden Willen der Eltern fehlt und daher Brüche und Entwicklungsstörungen zu erwarten sind oder aber das Kindeswohl ist trotz fehlenden übereinstimmenden Willens der Eltern durch das Wechselmodell "am besten gesichert".
Bei fehlendem Willen eines Elternteils ist demnach nicht grundsätzlich festzustellen, dass eine Einrichtung oder eine Fortsetzung des Wechselmodells nicht in Frage kommt. Es ist nach den Gründen und Auswirkungen des fehlenden Willens zu differenzieren sowie danach, ob es um die erstmalige Einrichtung oder die Fortsetzung des Wechselmodells geht.
Immer wieder werden hohe Ansprüche an die Übereinstimmung der Eltern, an deren Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft gestellt, wenn es um die "erstmalige" Umgangsregelung nach Trennung der Eltern geht. Spannungen und nicht aufgearbeitete Probleme zwischen den Eltern, unterschiedliche Erziehungsvorstellungen und fehlende Kooperationsbereitschaft im Wechselmodell verhindern danach eine solche Betreuungsmöglichkeit.
Geht es dagegen um die Fortsetzung eines seit längerer Zeit gut funktionierenden Wechselmodells, das, wie das OLG Düsseldorf feststellt, dem Wohl des Kindes am besten entspricht, ist zu prüfen, worauf die nunmehrige Ablehnung des Wechselmodells beruht. Die Auswirkungen der Ablehnung durch einen Elternteil auf die Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft gegenüber dem anderen und damit auf das Kindeswohl sind besonders zu untersuchen. Sind Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zur Kooperation noch vorhanden, lediglich z. B. der Wunsch nach mehr Freizeit für sich allein die Triebfeder jetziger Ablehnung, kann ein funktionierendes Wechselmodell nicht – zum Schaden des Kindeswohls – abgeschafft werden. Die Verantwortung für das Kindeswohl ist vorrangige Pflicht.
Dem entspricht die Regelung des § 166 FamFG. Haben Eltern vergleichsweise ein Wechselmodell vereinbart, das gerichtlich gebilligt wird, weil es dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 156 Abs. 2 FamFG), kann eine Aufhebung nur unter den Voraussetzungen des § 1696 BGB erfolgen. Dies bedeutet, dass ausschließlich triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe dazu führen können, ein einmal gefundenes, dem Kindeswohl dienendes Umgangsmodell aufzuheben. Der bloße Wunsch eines Elternteils auf Neuregelung für die Zukunft allein reicht für eine Änderung nach § 1696 BGB nicht aus.
Soweit das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung darauf verweist, das Wechselmodell sei im Gesetz nicht vorgesehen, so ist dem entgegen zu halten, dass es kein Modell gibt, das der Gesetzgeber vorschreibt. Lediglich bei fehlender Konsensfähigkeit ist in einzelnen Angelegenheiten (§ 1628 BGB) oder grundsätzlich (§ 1671 BGB) die Alleinentscheidungsbefugnis zu übertragen. Das Hindernis für die Beibehaltung und/oder Einrichtung des Wechselmodells stellt einzig das Kindeswohl dar.