Leitsatz
Die Änderung eines Umlageschlüssels ist nicht ordnungsmäßig, wenn der neu beschlossene Umlageschlüssel zu einer "erheblichen Mehrbelastung" einzelner Wohnungseigentümer führt.
Normenkette
WEG § 16 Abs. 3
Das Problem
Nach der ursprünglichen Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung gibt es in der Anlage 163 "Einheiten", nämlich 153 Teileigentums- und 10 Wohnungseigentumsrechte. Durch eine Unterteilung entstehen später 3 weitere Teileigentumsrechte. In der Gemeinschaftsordnung heißt es wie folgt:
(1) Die Kosten werden auf den Einzelnen umgelegt:
- nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile alle Lasten einschließlich Sonderfonds und Instandhaltungsrücklage, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, und zwar einschließlich der Grundsteuer, solange zu dieser die einzelnen Wohnungs- und Teileigentumsrechte noch nicht selbstständig veranlagt sind,
- nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile die Pauschalvorauszahlungen und die tatsächlichen Kosten der Fernwärmeversorgung.
(2) Verursacht ein Inhaber eines Eigentums zusätzliche Bewirtschaftungs- oder Verwaltungskosten, so hat er diese allein zu tragen.
Die Wohnungs-Teileigentümer der Rechte 1 bis 152 haben jeweils eine Stimme. Die Wohnungs- Teileigentümer der Rechte 153 bis 163 erhalten gemeinschaftlich 115 Stimmen (Stimmpool).
Die Kosten der Sprinkleranlage werden bislang allein von Teileigentümer B getragen.
Die Wohnungseigentümer fassen im Jahr 2016 u.a. folgende Beschlüsse (vor der Versammlung fand eine "Stimmrechtspoolversammlung" statt, in der Teileigentümer B die Ausübung des Stimmrechts übertragen wurde):
TOP 18: Die Gemeinschaft beschließt die Änderung der Kostenverteilung der Haus-/Flurreinigung zukünftig nach Sondereigentumseinheiten.
TOP 19: Die Gemeinschaft beschließt die Änderung der Umlage der Müllkosten zukünftig nach Sondereigentumseinheiten.
TOP 20: Die Gemeinschaft beschließt die Änderung der Kostenverteilung der Sprinkleranlage nach Miteigentumsanteilen.
- Gegen diese Beschlüsse wenden sich mehrere Wohnungseigentümer. Sie meinen, B habe nicht allein abstimmen dürfen und sie majorisiert. Ferner seien die Beschlüsse zu unbestimmt und nicht ordnungsmäßig. Das Amtsgericht (AG) weist die Klage als unzulässig ab. Soweit Rechtsanwalt A für die von ihm vertretenen Kläger A bis D die Erteilung einer Vollmacht nicht habe nachweisen können, sei die Klage bereits mangels Nachweises einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung abzuweisen gewesen. Im Hinblick auf die Kläger E bis O sei die Klage insofern als unzulässig anzusehen, als dass sie sich nicht gegen alle übrigen Beklagten richte. Denn die Eigentümer, für die keine ordnungsgemäße Prozessvollmacht habe vorgelegt werden können, stünden weder auf Kläger- noch auf Beklagtenseite.
- Hiergegen wenden sich eine Reihe der klagenden Wohnungseigentümer. Deren Berufung hat zum Teil Erfolg!
Die Entscheidung
Prozessuales
Rechtsanwalt A habe für die von ihm vertretenen Kläger A bis D keine Vollmachten vorlegen können. Die Klage sei daher insoweit als unzulässig anzusehen. Für die Kläger E bis O gelte anderes. Das Amtsgericht sei davon ausgegangen, dass die Kläger A bis D weder auf Kläger- noch auf Beklagtenseite an dem Verfahren beteiligt seien. Diese Ansicht sei unzutreffend. Auch A bis D seien nämlich als klagende Partei anzusehen. Dass die Berufung nicht für A bis D eingelegt worden sei, ändere nichts daran, dass sie auch im Berufungsverfahren als klagende Partei anzusehen seien. Denn für die Frage, auf welcher Seite eines Rechtsstreits ein Eigentümer in einem Anfechtungsprozess stehe, komme es auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an. Der Umstand, dass ein in erster Instanz auf Klägerseite stehender Eigentümer gegen das (teilweise) abweisende Urteil kein Rechtsmittel einlege, führt nicht dazu, dass er nunmehr aufseiten der beklagten Eigentümer "wechsle".
Abstimmung
B habe auch allein abstimmen können. Nach der Gemeinschaftsordnung hätten die Wohnungs-Teileigentümer der Rechte 153 bis 163 gemeinschaftlich 115 Stimmen. Diese Stimmen habe B ausüben können.
Majorisierung
Die Kläger könnten sich auch nicht auf eine Majorisierung durch B berufen. Eine solche liege vor, wenn ein Wohnungseigentümer sein Stimmübergewicht missbrauche, um einen ihm vorteilhaften Beschluss herbeizuführen. Grundsätzlich stehe es einem Mehrheitseigentümer allerdings frei, ob und in welcher Weise er von seinem Stimmrecht Gebrauch mache. Ein Missbrauch des Stimmrechts liege nicht schon dann vor, wenn der Mehrheitseigentümer mit seinen Stimmen einen Beschluss gegen die Stimmen aller anderen Eigentümer durchsetze. Es müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten, um die Ausübung des Stimmrechts als missbräuchlich ansehen zu können. Derartige besondere Umstände, die auf einen Missbrauch schließen ließen, seien nicht näher dargelegt.
Unbestimmtheit
Es liege auch keine Unbestimmtheit im Hinblick auf den zeitlichen Geltungsbereich der jeweiligen Beschlüsse vor. Die Formulierung "zukünftig" bedeute, dass sich die beschlossenen Regelungen auf die Zeit a...