Der Insolvenzverwalter kann Rechtshandlungen des Schuldners anfechten, die dieser in einem Zeitraum von 10 Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Absicht vorgenommen hat, Gläubiger zu benachteiligen, wenn der Vertragspartner diese Absicht kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn Vertragspartner positiv wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Insolvenzverwalter werden versuchen, in geeigneten Fällen die Insolvenzmasse durch Insolvenzanfechtungen anzureichern. Führt eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO aufgrund einer Rückzahlung an den Insolvenzverwalter zu einer Vorsteuerberichtigung (Vorsteuerrückzahlungsanspruch des Finanzamts nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG), ist dieser Steueranspruch Teil der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung.
Der BFH hat seine Rechtsprechung zum Vorsteuerrückzahlungsanspruch des Finanzamts aufgrund erfolgreicher Insolvenzanfechtung bestätigt und klargestellt, dass diese Rechtsprechung weder in Widerspruch zur Rechtsprechung von BGH und BAG steht, noch eine Anrufung des EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens erforderlich ist.
Wird eine Vorsteuerberichtigung aufgrund der Anfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen Dritter und nicht aufgrund der Anfechtung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Leistungsempfängers hervorgerufen, kommt die BFH-Rechtsprechung zu einem anderen Ergebnis. Ein hieraus resultierender Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts ist keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren des Leistungsempfängers (Insolvenzschuldners) und darf daher nicht durch einen Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Trennung der Verfahren über die personenverschiedenen Insolvenzschuldner sei es hierbei unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenzverwalter eingesetzt wird.
Bei einer Organgesellschaft ist der Vorsteuerabzug nach § 17 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt an den Organträger zurückzahlt, der die Zahlung erfolgreich angefochten hat. Auch dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts ist keine Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der durch eine Handlung des Insolvenzverwalters der Organgesellschaft begründet worden wäre. Eine in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann jedoch vorliegen, falls der Insolvenzmasse der Organgesellschaft aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Organträgers ein Ausgleichsanspruch gegen den Organträger (oder dessen Insolvenzmasse) zusteht.