Kommentar
Bei diesem Urteil geht es um die umsatzsteuerliche Behandlung von Warenkrediten. In dem Vorlagefall hatte ein Bauunternehmer mit dem Käufer eines Grundstücks vertraglich vereinbart, der Kaufpreis sei entweder bei Vertragsabschluß oder später bei Lieferung des Grundstücks zu zahlen. Bei dem späteren Zahlungszeitpunkt waren Zinsen für den Zahlungsaufschub zu entrichten. Um diese Zinsen ging es in dem Verfahren. Fraglich war, ob sie Entgelt für eine steuerfreie Kreditgewährung oder einen Teil des Entgelt für die Lieferung des Grundstücks darstellten.
Nach dem Urteil sind Warenkredite grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Die Zinsen bilden nur dann kein Entgelt für einen Kredit, sondern sind Bestandteil der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage der Lieferung, wenn sie für einen Zahlungsaufschub lediglich bis zum Zeitpunkt der Lieferung berechnet werden.
Schlüssig folgern kann man aus diesem Urteil eigentlich nur, daß Warenkredite bis zum Lieferzeitpunkt nie Gegenstand einer steuerfreien Finanzdienstleistung sein können, sondern dann immer Entgeltbestandteil der Lieferung sind.
Für Warenkredite nach dem Lieferzeitpunkt kann aus dem Urteil nur allgemein gefolgert werden, daß es sich hierbei im Grundsatz um steuerfreie Leistungen handelt. Dies erklärt sich daraus, daß der EuGH feststellt, steuerbefreite Kreditgeschäfte müßten nicht nur von Banken oder Kreditinstituten erbracht werden.
Die weitergehende Schlußfolgerung, daß Warenkredite nach dem Lieferzeitpunkt immer steuerfreie Kreditgewährungen darstellen, kann aus dem Urteil m.E. nicht gezogen werden. Über diesen Fall hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Im Sachverhalt war der eher seltene Fall gegeben, daß der Lieferant eines Gegenstandes seinem Abnehmer einen Zahlungsaufschub bis zum Zeitpunkt der Lieferung gewährt, obwohl nach den Vertragsbestimmungen der Kaufpreis bereits zum Vertragszeitpunkt fällig ist. Der dem Gerichtshof vorgelegte Fall betrifft also nicht das in Deutschland übliche Ratenzahlungsgeschäft, wonach ein Zahlungsaufschub für die Zeit nach der Lieferung des Gegenstandes gewährt wird.
Es dürfte also nach dem Urteil für Ratenzahlungsgeschäfte, die sich auf die Zeit nach der Lieferung einer Ware beziehen, weiterhin zu prüfen sein, ob hier eine Kreditgewährung als eigenständige Leistung gegeben ist oder eine unselbständige Nebenleistung zu der Warenlieferung vorliegt. Abschnitt 29 a UStR regelt die Bedingungen für eine Trennbarkeit des eigentlichen Umsatzgeschäftes und des Kreditgeschäftes. Die dort enthaltenen Kriterien dürften auch nach dem EuGH-Urteil noch volle Gültigkeit besitzen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 27.10.1993, C-281/91