Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Eine "Waschküche" kann nur mit Zustimmung aller Eigentümer in "Versammlungsraum" umgebaut bzw. umgewidmet werden
Von einem Nichtbeschluss ist dann auszugehen, wenn allen Beteiligten bei Abstimmung bewusst war, dass einfache Stimmenmehrheit nicht ausreiche
Normenkette
§ 10 Abs. 2 WEG, § 15 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG
Kommentar
1. Soll ein im Aufteilungsplan mit "Waschküche" bezeichneter Raum zu einem "Eigentümerversammlungs-Durchführungsraum" umgebaut werden, bedarf dies grundsätzlich allstimmiger Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG. Gleiches gilt für die darin konkludent zum Ausdruck gebrachte Änderung der festgelegten Zweckbestimmung, die gem. § 15 Abs. 1 und § 10 Abs. 2 WEG nur durch Vereinbarung, also ebenfalls unter Mitwirkung und mit Zustimmung aller Eigentümer, vorgenommen werden kann (h.M.).
2. Ein der Anfechtung nicht unterliegender Nichtbeschluss liegt grundsätzlich vor, wenn die Wohnungseigentümer zwar mit Mehrheit für einen Antrag stimmen, ihnen aber bei der Abstimmung bewusst ist, dass Stimmenmehrheit nicht ausreicht und die Versammlungsniederschrift keinen Zweifel an der Ablehnung des Antrags offen lässt.
Grundsätzlich ist zwar ein unangefochten gebliebener Mehrheitsbeschluss auch dann wirksam und verbindlich, wenn er eine Angelegenheit zum Gegenstand hat, die zwar durch allstimmigen Beschluss oder durch Vereinbarung zu regeln wäre; ein Beschluss liegt allerdings dann nicht vor, wenn sich die Abstimmung der Eigentümer in der Ablehnung eines Antrags erschöpft und keine sachliche Regelung damit verbunden ist; ein solcher Nichtbeschluss löst keine Rechtswirkungen aus und unterliegt damit auch nicht der Beschlussanfechtung (h.M.).
Für die Unterscheidung, ob ein Beschluss vorliegt oder nicht, ist in aller Regel der Umstand maßgebend, ob mehr als die Hälfte der Abstimmenden für den Antrag gestimmt haben; wird die einfache Mehrheit nicht erreicht, so liegt in der Regel ein Nichtbeschluss vor. Dies gilt an sich auch dann, wenn in Anbetracht des Beratungsgegenstandes eine qualifizierte Mehrheit oder Einstimmigkeit erforderlich ist. Wenn es nach den Umständen zweifelhaft sein kann, ob die für den Antrag abgegebene Zahl der Stimmen für die Annahme des Antrages genügend ist, ist § 23 Abs. 4 WEG anzuwenden. Dies setzt jedoch voraus, dass mindestens die Möglichkeit besteht, in oder nach der Versammlung werde der Antrag, wenn auch nur von einzelnen Beteiligten, als angenommen angesehen. Können dagegen nach den Umständen des Einzelfalles für alle Beteiligten keine Zweifel daran bestehen, dass der Antrag wegen Nichterreichens der erforderlichen Stimmenzahl abgelehnt wurde und ein Beschluss mithin nicht zustande gekommen ist, bedarf es nicht der Beschlussanfechtung. Die Feststellung, ob ein Beschluss zustande gekommen ist und welchen Inhalt er hat, ist grundsätzlich allein Sache des Tatrichters (Auslegungsfrage, an die das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich gebunden ist).
Im vorliegenden Fall ergibt sich auch aus der Versammlungsniederschrift die Feststellung, dass der Verwalter nach der Abstimmung unter nochmaligem Hinweis auf die erforderliche Einstimmigkeit verkündet hat, ein Umbau des Waschraumes solle nicht vorgenommen werden und der Antrag sei abgelehnt. Daraus sowie aus dem Umstand, dass in der Folgezeit weder die Eigentümer noch der Verwalter dieses Ergebnis in Zweifel gezogen haben, hat das LG zu Recht geschlossen, dass zu diesem Tagesordnungspunkt ein Nichtbeschluss vorliegt, der keine Rechtswirkungen besitzt. Auch ein Feststellungsinteresse für den Fall anzunehmender Umdeutung eines unzulässigen Anfechtungsantrages in einen Feststellungsantrag (dass ein Eigentümerbeschluss nicht zustande gekommen sei) konnte im vorliegenden Fall zu Recht verneint werden.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 4.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 13.02.1997, 2Z BR 115/96)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Wenn der Senat ausführt, dass zur Frage des Vorliegens eines Beschlusses im Wohnungseigentumsrecht "in aller Regel der Umstand maßgebend sei, ob mehr als die Hälfte der Abstimmenden für den Antrag gestimmt haben", kann dieser Satz zu Missverständnissen führen. Richtig ist, dass von einem einfachen Mehrheitsbeschluss im Wohnungseigentumsrecht dann auszugehen ist, wenn in beschlussfähiger Versammlung (oder auch in einer Wiederholungsversammlung) zu einem Antrag mehr Ja- als Nein-Stimmen abgegeben wurden (wobei damit Stimmenthaltungen nach herrschender Rechtsmeinung ohne anderweitige Vereinbarungen oder bestandskräftige Beschlüsse grds. nicht in die Wertung miteinbezogen werden, allenfalls bei qualifizierten Mehrheitserfordernissen). Z.B. eine einzige Ja-Stimme bei keiner Nein-Stimme und 10 Enthaltungsstimmen kann damit m.E. bereits zu einem einfachen Mehrheitsbeschluss führen!
Gehen allerdings Eigentümer auf berechtigten Hinweis eines Versammlungsleiters bereits vor einer Abstimmung davon aus...