Leitsatz

  1. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass unter diese Vorschrift nicht die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten in Betriebskantinen an Geschäftspartner anlässlich von in den Räumlichkeiten der fraglichen Unternehmen stattfindenden Sitzungen fällt, wenn sich – was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist – aus objektiven Umständen ergibt, dass diese Mahlzeiten für strikt geschäftliche Zwecke abgegeben werden. Hingegen fällt die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten durch ein Unternehmen an sein Personal in seinen Räumlichkeiten grundsätzlich unter diese Vorschrift, es sei denn, dass die Erfordernisse des Unternehmens wie die Gewährleistung der Kontinuität und des ordnungsgemäßen Ablaufs von Arbeitssitzungen es – was ebenfalls vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist – notwendig machen, dass die Lieferung von Mahlzeiten durch den Arbeitgeber sichergestellt wird.
 

Sachverhalt

Problematik

Im Vorlageverfahren des dänischen Vestre Landsret geht es um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung unentgeltlicher Abgabe von Mahlzeiten in Betriebskantinen zweier Unternehmen. Zum einen war fraglich, ob Dänemark im Hinblick auf die "Stand-still"-Klausel des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie berechtigt war, bei solchen Umsätzen einen Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug vorzusehen. Diese Übergangsfragen bleiben hier unerörtert.

Von Interesse für die deutsche Praxis ist insbesondere der zweite Komplex zur Steuerbarkeit unentgeltlicher Kantinenverpflegung:

  • In den Kantinen des einen Unternehmens werden an das Personal Speisen und Getränke verkauft. Ferner werden von den Kantinen unentgeltlich Mahlzeiten abgegeben zum einen an Geschäftspartner bei in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfindenden Sitzungen und zum anderen an Angehörige des Personals bei Arbeitssitzungen innerhalb des Unternehmens.
  • Das andere Unternehmen gibt bei Informationsveranstaltungen – je nach der Uhrzeit, zu der die Veranstaltung beginnt, und deren Dauer, die von mehreren Stunden bis zu ganzen Tagen reichen kann – an die Teilnehmer unentgeltlich Mahlzeiten in der Betriebskantine ab, die im Übrigen für den Verkauf von Speisen und Getränken an das Personal genutzt wird.

Es geht darum, ob damit unentgeltliche Leistungen zu unternehmensfremden Zwecken erbracht werden, die steuerpflichtigen Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie gleichzustellen sind.

 

Entscheidung des EuGH

Der EuGH verweist zunächst auf den Zweck dieser Bestimmung, nämlich sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung gleicher Art erwirbt, gleichbehandelt werden. Jedoch kann diese Lieferung nach Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie der Mehrwertsteuer nur unter der Bedingung unterworfen werden, dass sie "unternehmensfremd" ist.

Nach der Entscheidung ist erstens zu prüfen, "ob die unentgeltliche Lieferung von Mahlzeiten … eine Dienstleistung" des Steuerpflichtigen zu Zwecken darstellt, die seinem Unternehmen fremd sind.

Die Umstände der unentgeltlichen Abgabe nur anlässlich von Sitzungen, die in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfinden, bezeichnet der EuGH als Anhaltspunkt für "nicht unternehmensfremd".

Gleichwohl hebt der EuGH die Schwierigkeit hervor, wirksam zu kontrollieren, ob die Lieferung von Mahlzeiten durch Betriebskantinen einen geschäftlichen Charakter hat oder nicht, und zwar auch dann, wenn sie im Rahmen des normalen Funktionierens der Betriebskantinen erfolgt. Ergibt sich – was vom vorlegenden Gericht nachzuprüfen ist – aus objektiven Umständen, dass diese Lieferungen von Mahlzeiten für strikt geschäftliche Zwecke erfolgt sind, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie.

Zweitens ist zu prüfen, ob die unentgeltliche Leistung "für den privaten Bedarf seines Personals oder allgemein für seinem Unternehmen fremde Zwecke erbracht wird". Insoweit geht der EuGH von einem strikten Grundsatz aus: "Unstreitig ist es normalerweise Sache des Arbeitnehmers, die Art, die genaue Uhrzeit und selbst den Ort für seine Mahlzeiten zu wählen. Der Arbeitgeber greift in diese Entscheidungen nicht ein, da die Verpflichtung des Arbeitnehmers nur darin besteht, sich zu den vereinbarten Uhrzeiten wieder an seinem Arbeitsplatz einzufinden und dort seiner üblichen Arbeit nachzugehen. Daher zielt die Lieferung von Mahlzeiten an Arbeitnehmer … grundsätzlich auf die Befriedigung eines privaten Bedarfs und hängt von der persönlichen Entscheidung der Arbeitnehmer ab, in die der Arbeitgeber nicht eingreift." Daraus folgt, dass die Dienstleistungen, die in der unentgeltlichen Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer bestehen, unter normalen Umständen den privaten Bedarf der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie befriedigen.

Dagegen können unter besonderen Umständen die Erfordernisse de...

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