Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
Rz. 47
Die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe treten mit der Eheschließung bzw. mit dem Beginn der vorehelichen Lebensgemeinschaft ein und ihre zeitliche Geltung ist mit dem Bestehen der Lebensgemeinschaft verbunden. Sie betreffen die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten untereinander (im Innenverhältnis) sowie gegenüber Dritten (Außenverhältnis) während der Ehe bzw. für den Fall der Auflösung der Ehe.
Rz. 48
Der gesetzliche Güterstand im ungarischen Recht ist die eheliche Gütergemeinschaft. Die Ehegatten behalten ihre selbstständige zivilrechtliche Rechtsfähigkeit auch nach der Eheschließung bei, sie können Rechte erwerben und Pflichten eingehen, aber mit Entstehung des ehelichen Güterstands ändert sich ihr güterrechtlicher Stand erheblich: Ihr selbstständiger Erwerb wie auch ihre Verpflichtungen entfalten ihre Wirkung auch gegenüber dem anderen Ehegatten. Der Ehegatte hat dinglichen Anspruch auf die ihm zustehende Hälfte des Vermögensgegenstandes, der während der Lebensgemeinschaft zum Eigentum erworben wurde, und er hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abrechnung der Hälfte der Vermögensrechte und Forderungen im gemeinschaftlichen Vermögen, zugleich hat er die auf ihn fallende Hälfte der gemeinsamen Verpflichtungen zu tragen. Der aus der güterrechtlichen Gemeinschaft resultierende Anspruch eines Ehegatten verjährt wegen seines dinglichen Charakters nicht, er kann nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden.
Rz. 49
Zur Entstehung der Gütergemeinschaft bedarf es keiner gemeinsamen Erklärung der Parteien, es entsteht kraft Gesetzes, wenn die folgenden Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt werden:
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zwischen den Parteien besteht eine gültige Ehe; |
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zwischen ihnen besteht eine Lebensgemeinschaft und |
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die Ehegatten haben keinen Ehevertrag über einen abweichenden Güterstand abgeschlossen. |
a) Bestehen eines gültigen Ehebandes
Rz. 50
Die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe sind mit einem gültigen Eheband verknüpft, davon gibt es nur zwei Ausnahmen: einerseits den Fall der sog. vermeintlichen Ehe (Putativehe), andererseits das voreheliche Zusammenleben. Wenn die Ehe ungültig ist, jedoch bei der Eheschließung beide Parteien im guten Glauben waren (sog. vermeintliche Ehe, Putativehe), sind die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe die gleichen wie bei einer gültigen Ehe; wenn dagegen nur eine der Parteien gutgläubig war, kann die vorige Bestimmung nur auf ihren Antrag angewendet werden. Bei einer unmittelbar vor der Eheschließung geführten vorehelichen Lebensgemeinschaft sind die Bestimmungen über die eheliche Gütergemeinschaft auch auf die während dieser Zeit erworbenen Vermögensgegenstände und Verpflichtungen (Schulden) anzuwenden. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft sind in § 6:514 Abs. (1) Ptk. aufgelistet (siehe Rdn 196). Sollte eine der Parteien das Bestehen der Lebensgemeinschaft bestreiten, so entscheidet darüber das Gericht.
b) Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft
Rz. 51
Die Merkmale der ehelichen Lebensgemeinschaft sind im Gesetz nicht definiert, ihr Entstehen ist mit der Eheschließung zu vermuten. Der Zeitraum der Lebensgemeinschaft bestimmt den Umfang des gemeinschaftlichen Vermögens und begründet den gemeinsamen Erwerb mit dem Rechtstitel eheliches Gesamtgut. Die eheliche Gütergemeinschaft ist – in Ermangelung abweichender Regelung durch einen Ehevertrag – mit der Lebensgemeinschaft verbunden, sie entsteht mit der Eheschließung oder der vorehelichen Lebensgemeinschaft und endet mit endgültiger Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft; im letzteren Zeitpunkt werden der Umfang, der Wert und der Besitzstand des Gesamtguts festgelegt.
Rz. 52
Allgemeine Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft gemäß dem von der Rechtsprechung geprägten rechtlichen Inhalt sind wie folgt:
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gemeinsamer Haushalt (die Ehegatten wohnen zusammen und tragen die Wohnkosten gemeinsam); |
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emotionale Gemeinschaft (innige persönliche Beziehung); |
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Wirtschaftsgemeinschaft (ständiges Zusammenwirken, um die gemeinsamen Ziele der Familie zu erreichen); sowie |
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Offensichtlichkeit der Zusammengehörigkeit der Parteien auch für Dritte. |
Rz. 53
Zur Feststellung der Lebensgemeinschaft bedarf es nicht der gleichzeitigen Erfüllung aller obigen Voraussetzungen (es sind also keine konjunktiven Voraussetzungen), es hängt vom Ermessen des Gerichts ab, ob eine Lebensgemeinschaft auch in Ermangelung der Erfüllung einzelner Voraussetzungen besteht. Gemäß § 459 Abs. (2) der Zivilprozessordnung (Pp.) hat das Gericht bei der Ehescheidung die Dauer der Lebensgemeinschaft (einschließlich der vorehelichen Lebensgemeinschaft) im Urteilstenor festzustellen und diese Feststellung entfaltet eine materielle Rechtskraft (res iudicata). So kann sie in einem späteren streitigen Prozess über die güterrechtliche Auseinandersetzung nicht me...