Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
a) Allgemeines
Rz. 58
Der gesetzliche Güterstand – die eheliche Gütergemeinschaft – ist eine Erwerbsgemeinschaft mit dinglicher Wirkung: "Dinglich" bedeutet in diesem Sinne, dass ein Vermögensgegenstand beim Erwerb des Eigentums als gemeinschaftliches Vermögen gilt; d.h. der Erwerb jedes Ehegatten vermehrt das Gesamtgut. Im internen Rechtsverhältnis zwischen den Ehegatten ist es ein selbstständiger Erwerbstitel; dementsprechend entsteht während der Lebensgemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen, das alle während der Lebensgemeinschaft erworbenen Vermögensgegenstände und eingegangenen Verpflichtungen (Schulden) erfasst, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemeinsam oder (voneinander unabhängig) einzeln erworben oder eingegangen wurden. Gemeinschaftliches Vermögen bedeutet ungeteiltes gemeinsames Eigentum, das den Ehegatten je zur Hälfte zusteht. Sein aktiver Teil besteht in der Gesamtheit aller erworbener Vermögensgegenstände, während den passiven Teil die Lasten der gemeinsamen Vermögensgegenstände und – in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung – die aus den von einem der Ehegatten während des ehelichen Güterstands eingegangenen Verpflichtungen stammenden Schulden bilden. Der gesetzliche Güterstand ergibt immerhin keine vollständige Gütergemeinschaft, denn das Vermögen der Ehegatten besteht aus drei voneinander sachenrechtlich getrennten Vermögensmassen (Untervermögen): aus dem Sondergut des Ehemannes bzw. der Ehefrau und dem gemeinschaftlichen Vermögen.
Rz. 59
Im Ehegüterrecht hat der Begriff "Vermögensgegenstand" eine weitere Bedeutung als im Bereich der sonstigen zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse. Zum gemeinschaftlichen Vermögen gehören Sachen, Rechte und Forderungen, also alles, was Gegenstand des Eigentums sein kann; Vermögensrechte (z.B. Nießbrauch, Hypothek, Mietrecht); Forderungen; Recht auf vertragliche Leistung.
b) Vermutung des gemeinschaftlichen Vermögens
Rz. 60
Gemäß Gesetz besteht die Vermutung, dass ein Erwerb während der Lebensgemeinschaft Eigentum im gemeinschaftlichen Vermögen schafft, und der betroffene Vermögensgegenstand von den Ehegatten hälftig erworben wurde. Inhaltliche Elemente der Vermutung sind wie folgt:
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alle Vermögensgegenstände, die zum Zeitpunkt der Aufhebung des ehelichen Güterstands vorhanden sind, gelten als während der Lebensgemeinschaft erworben; |
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während der Lebensgemeinschaft erworbene Vermögensgegenstände sind als Teile des gemeinschaftlichen Vermögens anzusehen; |
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während der Lebensgemeinschaft erfüllte Verpflichtungen, Ausgaben und getätigte Investitionen sind als aus dem gemeinschaftlichen Vermögen stammend und zwischen den Ehegatten als hälftig anzusehen. |
Rz. 61
Die Vermutung des gemeinschaftlichen Erwerbs gilt auch dann, wenn der Eigentumserwerb eines Ehegatten in einem Register mit öffentlichem Glauben (z.B. Grundbuch, Firmenregister) eingetragen wird. Der andere Ehegatte wird auch in diesem Fall als Erwerber – auch ohne Eintragung seines Eigentumsanteils im öffentlichen Register – angesehen, selbst dann, wenn er an dem fraglichen Vertrag nicht als Vertragspartei beteiligt ist. Es handelt sich somit um einen Fall des sog. außerbücherlichen Eigentumserwerbs. Der Eigentumserwerb kraft ehelicher Gütergemeinschaft ist ein sui generis Erwerbstitel; der Erwerb erfolgt in diesem Fall aufgrund des Gesetzes (ex lege).
Rz. 62
Die Vermutung des gemeinsamen Erwerbs gilt für das Vermögen des Ehegatten, das aus dem Beruf oder Unternehmen des Ehegatten stammt, für die Betriebsmittel des Unternehmens des Ehegatten, für seine Forderungen sowie für die dem Ehegatten als Gesellschafter zustehende Beteiligung.
c) Das Sondervermögen
Rz. 63
Sondervermögen ist ein Vermögensgegenstand eines Ehegatten, der angesichts der Zeit, des Rechtstitels und der Quelle des Erwerbs nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen gehört. Zum Sondervermögen gehören die folgenden Vermögensgegenstände:
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ein Vermögensgegenstand, der bei Entstehung der ehelichen Gütergemeinschaft (bei der Eheschließung bzw. bei Beginn der vorehelichen Lebensgemeinschaft) bereits einem der Ehegatten gehört hat ("voreheliches Vermögen"); |
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ein während der Lebensgemeinschaft durch Erbfolge oder Schenkung erhaltener Vermögensgegenstand oder eine sonstige unentgeltliche Zuwendung; |
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die dem Schöpfer eines geistigen Eigentums zustehenden Vermögensrechte, ausgenommen die während des Bestehens der Gütergemeinschaft fälligen Honorare, Belohnungen; |
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eine wegen Verletzung seiner Person erhaltene Zuwendung (z.B. Schmerzensgeld, Schadensersatz für immaterielle Schäden); |
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ein für persönliche Nutzung bestimmter gewöhn... |