Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
Rz. 143
In Ermangelung eines Konsenses können die Parteien zur Geltendmachung ihrer Ansprüche ein Gericht anrufen. Das Gericht klärt – im Rahmen der Parteianträge – den Erwerbsrechtstitel jedes einzelnen Vermögensgegenstands und prüft, ob der betroffene Vermögensgegenstand zum Sondervermögen gehört; es grenzt ferner die Vermögensmassen (gemeinschaftliches Vermögen – Sondervermögen) voneinander ab, um den Umfang des gemeinschaftlichen Vermögens feststellen zu können (es wird ein detailliertes Bestandsverzeichnis aufgenommen). Danach wird der Wert jedes einzelnen Vermögensgegenstands ermittelt (in Ermangelung eines Konsenses zwischen den Parteien wird ein Sachverständigengutachten eingeholt), seine Besitzverhältnisse werden geprüft, dann ermittelt das Gericht die Schulden der Ehegatten (passives Vermögen) wie auch die diesbezüglichen Leistungen nach Beendigung der Lebensgemeinschaft und zum Schluss bestimmt es die Art und Weise der Auseinandersetzung (Bilanzaufstellung). Die gerichtliche Abrechnung erfasst in der Regel die bei Aufhebung der Lebensgemeinschaft vorhandenen Vermögensgegenstände; jeder Ehegatte kann jedoch unter Beweis stellen, dass ein vom Antragsgegner genannter Vermögensgegenstand bei Beendigung der Lebensgemeinschaft nicht mehr vorhanden war bzw. erst kurz davor vom gemeinschaftlichen Vermögen herausgenommen wurde (z.B. einer der Ehegatten hat die gemeinschaftlichen Ersparnisse vom Konto abgehoben). Die Vermögensgegenstände sind mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der Lebensgemeinschaft in die Bilanz einzustellen. Eine Ausnahme stellen nur wegen objektiver Wertänderung Immobilien und Aktien dar; diese sind immer zu ihrem aktuellen Wert zum Zeitpunkt des Gerichtsurteils in die Bilanz einzustellen. Substanzerhaltung ist nicht als Wertänderung zu werten.
Rz. 144
Die gerichtliche Auseinandersetzung erfolgt grundsätzlich gemäß den Besitzverhältnissen an den Vermögensgegenständen in natura. Die zu einem Unternehmen notwendigen Vermögensgegenstände sind wenn möglich dem Ehegatten zuzusprechen, der das Unternehmen betreibt; die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses in einer Gesellschaft zustehenden Mittel dem Ehegatten zuzusprechen, der dieses Mittel nutzt. Ausnahmsweise kommt die Billigkeit als Korrektionsmittel zur Anwendung, wenn das Gericht aus Billigkeitsgründen im Interesse einer der Parteien von der strengen Anwendung der gesetzlichen Abrechnung abweicht. Dazu kann es jedoch nur in Einzelfällen kommen und es darf nicht zum erheblichen Nachteil der anderen Partei führen. Der Auseinandersetzungsprozess unterliegt den allgemeinen verfahrensrechtlichen Normen; von Amts wegen wird das Gericht nicht tätig (Dispositionsmaxime).
Die Teilbarkeit sowie Art und Weise der Auseinandersetzung von bestimmten Vermögenselementen unterliegt Sondervorschriften. Zu diesen besonderen Vermögensgegenständen gehört auch das Unternehmensvermögen, insbesondere die Gesellschaftsanteile.
Die Auseinandersetzung solcher Vermögensgegenstände werden i.d.R. ohne Mitgliedschaftsänderung vorgenommen: Sind beide Ehegatten Mitglieder der Gesellschaft und sind ihre Gesellschaftsanteile gleich, so ist die einfachste – und von den Gerichten oft angewendete – Lösung, die Teilung in natura vorzunehmen (ohne Feststellung des Wertes der Gesellschaftsanteile). Die Auseinandersetzung hat in diesem Fall zur Folge, dass die jeweiligen Gesellschaftsanteile zu Sondervermögen der Ehegatten werden. Haben die Ehegatten unterschiedliche Gesellschaftsanteile, so werden diese Anteile auch zu Sondervermögen; der Wertunterschied wird i.d.R. bei der Teilung des sonstigen gemeinschaftlichen Vermögens beglichen. Ist nur einer der Ehegatten Mitglied einer Gesellschaft, so wird der Wert seines Gesellschaftsanteils in die Bilanz des gemeinschaftlichen Vermögens aufgenommen; der andere Ehegatte hat in diesem Fall einen schuldrechtlichen Anspruch. Im Falle einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (was die häufigste Rechtsform der Familienunternehmen ist) kann die Auseinandersetzung auch in einer Weise vorgenommen werden, dass die Anzahl der Gesellschaftsmitglieder geändert wird. Der Ehegatte hat ein Wahlrecht: entweder kann er gem. § 3:172 Ptk. einen entsprechenden Geschäftsanteil beanspruchen (vorausgesetzt, dass der Geschäftsanteil teilbar ist und diese Lösung vom Gesellschaftsvertrag nicht ausschließt), d.h. der Gesellschaft beitreten, oder einen schuldrechtlichen Anspruch geltend machen. Bestreitet einer der Ehegatten den Wert des Gesellschaftsanteils, so wird dieser von einem Sachverständigen festgestellt.