Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
a) Allgemeines
Rz. 71
In einem Ehevertrag können die Eheschließenden bzw. die Ehegatten – vor der Eheschließung oder während der bestehenden Ehe – ihre güterrechtlichen Verhältnisse für die Zukunft von den gesetzlichen Vorschriften abweichend regeln. Für den Vertrag sind einerseits die allgemeinen Regeln des Schuldrechts maßgebend, andererseits gelten dafür spezielle familienrechtliche Gesichtspunkte. Angesichts des dispositiven Charakters der Vorschriften des Ehevertrages können die Vertragsparteien sowohl von den allgemeinen als auch von den speziellen Regeln abweichen, wenn dies im Schutz der Interessen von Minderjährigen gesetzlich nicht ausdrücklich verboten ist. Der Vertrag gilt als Ehevertrag nur, wenn die Parteien ihre Erklärung teils oder zur Gänze bezüglich ihrer zukünftigen Wirtschaftsverhältnisse abgeben. Die bloße Auflistung der Gegenstände des Sondervermögens nur ein Bestandaufnehme über den aktuellen vermögensrechtlichen Zustand, der bei einem allfälligen Rechtsstreit die Beweisführung erleichtert.
Rz. 72
Vertragsparteien sind die Eheschließenden bzw. die Ehegatten. Der Vertrag kann nur persönlich abgeschlossen werden. Ist eine der Parteien im schutzwürdigen Alter (d.h. noch unter 18 Jahren) oder bezüglich der Verfügungen über das Vermögen in seiner Geschäftsfähigkeit teilweise eingeschränkt, bedarf der Vertragsabschluss der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde.
Rz. 73
Der Ehevertrag ist formbedürftig: Er ist entweder in einer notariellen Urkunde oder in einer von einem Anwalt gegengezeichneten Privaturkunde abzufassen. Der Vertrag ist – zum Schutz von Gläubigern – Dritten gegenüber nur dann wirksam, wenn er im elektronischen Register der Eheverträge und der Vermögensrechtlichen Verträge der Lebenspartner eingetragen ist. In Ermangelung der Eintragung tragen die Ehegatten (in einem allfälligen Rechtsstreit) die Beweislast dafür, dass der Dritte von der Existenz des Vertrages sowie dessen Inhalt wusste oder wissen musste.
Rz. 74
Die zeitliche Geltung des Vertrags ist mit der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft verbunden. Nach endgültiger Aufhebung der Lebensgemeinschaft gibt es keine gemeinschaftliche Bewirtschaftung mehr im familienrechtlichen Sinne, deshalb kann nach endgültiger Aufhebung der Lebensgemeinschaft kein Ehevertrag abgeschlossen werden.
Rz. 75
Die Parteien können den Vertragsinhalt frei gestalten. Sie können für ihre ganze zukünftige Bewirtschaftung statt des gesetzlichen Güterstands einen anderen Güterstand bestimmen bzw. sie können auch nur über einen Teil des Vermögens abweichend verfügen. Für verschiedene Vermögensgegenstände (z.B. bewegliche Sachen, unbewegliche Sachen, Vermögensgegenstände mit geschäftlicher oder unternehmerischer Bestimmung, ein wertvoller Kunstgegenstand, Grundstück mit landwirtschaftlicher Bestimmung) können sie unterschiedliche Güterstände vereinbaren. Es besteht auch die Möglichkeit, den gesetzlichen Güterstand mit den vertraglichen Güterständen zu mischen sowie von den Regeln des gewählten Güterstands teilweise oder ganz abzuweichen, wenn es gesetzlich nicht verboten ist. Es ist auch zulässig, dass die Ehegatten statt des gleichen einen ungleichen Erwerbsanteil vereinbaren, dass sie die Erträge des Sondervermögens als Sondervermögen behandeln, die Vermögensgegenstände mit wirtschaftlicher Bestimmung als Sondervermögen behandeln und diesbezüglich die gemäß dem gesetzlichen Güterstand bestehende Haftung des Ehegatten ausschließen. Eine allgemeine Ausschließung der Haftung ist nichtig; der Haftungsausschluss kann sich nur auf konkrete, als anerkanntes Sondergut einer der Vertragsparteien geltende Vermögensgegenstände beziehen.
Rz. 76
Der Vertrag tritt mit dem Abschluss in Kraft. Haben die Eheschließenden bzw. die Ehegatten bereits vor der Eheschließung in einer Lebensgemeinschaft gelebt, können sie im Vertrag auch über das während der Lebensgemeinschaft erworbene gemeinschaftliche Vermögen verfügen: Sie können z.B. die Gegenstände des lebensgemeinschaftlichen gemeinschaftlichen Vermögens und diejenigen des Sondervermögens auflisten; sie können aber auch erklären, dass sie während ihrer Beziehung keinerlei gemeinschaftliches Vermögen erworben haben. Hatten sie jedoch gemeinschaftliches Vermögen, können sie dieses aufteilen (dadurch wird es automatisch zum Sondervermögen). Verfügen die Parteien im Vertrag nicht nur über die Wahl des Güterstands, sondern auch über die Auseinandersetzung des während der vorehelichen Lebensgemeinschaft erworbenen Vermögens, so geht es inhaltlich um zwei selbstständige Verträge: Es liegt einerseits ein Vertrag über die Teilung des bis dahin erworbenen gemeinschaftlichen Vermögens, andererseits ein eigentlicher Ehevertrag vor, in dem der eheliche Gütestand für die Zukunft bestimmt wird.
Rz. 77
Ein rückwirkender Vertrag bzw. eine Bestimmung über Abänderung einer vor dem Vertragsschluss entstandenen Verpflichtung gegenüber Dritten ist nichtig. Die Vermögensbewegung zwischen den Ehegatten kann die vor dem Vertragsschluss entsta...