Dr. Tibor Szocs, Dr. Ádám Tóth
Rz. 70
Die Rückfallerbfolge beruht auf dem uralten ungarischen Grundsatz, dass das von dem Geschlecht stammende Vermögen auf die Familie zurückfallen soll, von der es stammt, und nicht bei einer "fremden", d.h. beim Ehegatten, bleibt. Dieses merkwürdige, heute vielleicht schon anachronistisch erscheinende Rechtsinstitut blieb sogar in der härtesten Epoche der politischen Diktatur aufrecht und wurde auch im neuen Ptk. beibehalten, mit Rücksicht darauf, dass die Rückfallerbfolge als eine gerechte Regel tief im ungarischen rechtlichen Volksbewusstsein verwurzelt ist.
Rz. 71
Die Rückfallerbfolge ist ein eigenartiges Sonderregime im System der gesetzlichen Erbfolge. Dem Erblasser steht es frei, von der Rückfallerbfolge mit letztwilliger Verfügung abzuweichen. Die Rückfallerbfolge tritt also nur ein, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat und ohne Abkömmlinge verstorben ist. In diesem Fall sind im Nachlassvermögen die von der Familie des Erblassers stammenden Vermögensgegenstände (Rückfallvermögen) und das sog. Zugewinnvermögen des Erblassers voneinander zu trennen. Für das Zugewinnvermögen des Erblassers gelten die allgemeinen Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge, die von der Familie stammenden Vermögensgegenstände hingegen unterliegen der hier beschriebenen Sondererbfolge.
Rz. 72
Als von der Familie stammendes Vermögen (d.h. Rückfallvermögen) wird angesehen:
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derjenige Vermögensgegenstand, der dem Erblasser von einem Vorfahren unentgeltlich, d.h. durch Erbfolge oder Schenkung, zugekommen ist; ferner |
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auch derjenige Vermögensgegenstand, der ihm von seinem Geschwister oder von dessen Abkömmlingen durch Erbfolge oder Schenkung zugekommen ist, vorausgesetzt, dass selbst das Geschwister (bzw. sein Abkömmling) den betroffenen Vermögensgegenstand von einem mit dem Erblasser gemeinsamen Vorfahren geerbt oder geschenkt bekommen hat. |
Rz. 73
Bestimmte Vermögensgegenstände sind jedoch dem Kreis der Rückfallerbfolge gesetzlich entzogen. Dies ist bei gewöhnlichen Geschenken der Fall. Die Vorschriften der Rückfallerbfolge finden auf gewöhnliche Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände gegenüber dem überlebenden Ehegatten keine Anwendung.
Rz. 74
Der Rückfallerbfolge unterliegen ferner auch solche Vermögensgegenstände nicht, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht mehr vorhanden sind. In diesen Fällen besteht weder ein Erstattungs- noch ein Ersatzanspruch. Tritt jedoch an die Stelle eines solchen Vermögensgegenstands ein neuer, gilt das Sonderregime der Rückfallerbfolge nach § 7:70 Abs. (2) Ptk. auch für diesen; das ist eine Vorschrift, die eindeutig strenger als die frühere Regelung ist. Als strengere Vorschrift gilt nunmehr, dass sich die Regelungen über das Vermögen der väterlichen oder mütterlichen Linie gegenüber der früheren Regelung auf den an die Stelle des Vermögensgegenstands der väterlichen oder mütterlichen Linie getretenen Vermögensgegenstand erstrecken.
Rz. 75
Die Rückfallerben sind in erster Linie die Eltern des Erblassers (die im Falle eines Testaments auch Pflichtteilsberechtigte sind). Sind die Eltern vor dem Erblasser verstorben, sind ihre Abkömmlinge – nach den allgemeinen Regeln der gesetzlichen Erbfolge – zur Rückfallerbfolge berufen; mangels solcher die Großeltern bzw. weitere Vorfahren des Erblassers. Den Abkömmlingen der Großeltern des Erblassers steht kein Rückfallerbrecht zu.
Rz. 76
Der überlebende Ehegatte des Erblassers erbt auch den Nießbrauch am Vermögen, das der Rückfallerbfolge unterliegt. Wird der Nießbrauch abgelöst, steht dem überlebenden Ehegatten ein Drittel des Vermögens des Rückfallvermögens zu. Ein Anspruch auf Ablösung des Nießbrauchs an diesem Vermögen steht sowohl dem überlebenden Ehegatten als auch den Rückfallerben zu, und zwar ohne zeitliche Schranken. Die Ablösung des Nießbrauchs an der mit dem Erblasser gemeinsam bewohnten Wohnung und der zugehörenden Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände kann jedoch gegenüber dem Ehegatten nicht beantragt werden.