Dr. Tibor Szocs, Dr. Ádám Tóth
Rz. 267
Der Notar prüft das Nachlassverzeichnis innerhalb von 15 Tagen nach Eingang. Folgende Handlungsmöglichkeiten können sich für den Notar aufgrund der Prüfung ergeben:
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Er meldet an, dass er wegen eines gesetzlichen Ausschlussgrundes (z.B. Befangenheit, Familienverhältnis mit einem Betroffenen usw.) die Nachlasssache nicht verhandeln darf. |
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Er veranlasst die Verweisung der Nachlassangelegenheit wegen Unzuständigkeit an den zuständigen Notar. |
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Er veranlasst (selbst oder im Wege eines Ersuchens an den Gemeindedirektor) die Ergänzung des Nachlassverzeichnisses, wenn dieses unvollständig ist. |
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Er stellt das Nachlassverfahren ein, wenn ein Einstellungsgrund vorliegt. |
Rz. 268
Zweck der Regelung ist, dass der Notar, sofern dem Verfahren keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, die Nachlassangelegenheit möglichst in einer Verhandlung abschließen kann (falls eine Verhandlung überhaupt stattfindet). Dazu soll der Notar die für das Verfahren notwendigen Angaben und Unterlagen bis zum Termin der Verhandlung einholen. Die verschiedenen Behörden und natürlichen Personen sind verpflichtet, den Notar bei seiner Aufgabe durch Übermittlung der letztwilligen Verfügung bzw. durch Mitteilung der die Erbfolge betreffenden Informationen zu unterstützen. Der Notar kann beispielsweise die Öffnung des Bankschließfachs des Erblassers anordnen oder von den Banken Auskünfte über die Konten bzw. sonstige Guthaben des Erblassers einholen. Gegenüber dem in Nachlassverfahren tätigen Notar gilt das Bankgeheimnis nicht.
Rz. 269
Ist die Sache verhandlungsreif, so wird unverzüglich ein Termin zur Nachlassverhandlung angesetzt (es sei denn, dass das Verfahren ohne Verhandlung durchgeführt wird).
Rz. 270
Im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen hat der Notar von Amts wegen das Landesregister der Testamente elektronisch abzufragen, um festzustellen, ob der Erblasser eine (in das Register eingetragene) letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Wenn Kenntnis darüber besteht, dass eine letztwillige Verfügung vorhanden ist, ersucht der Notar die Behörde oder natürliche Person, in deren Besitz sich die letztwillige Verfügung befindet. Ferner kann der Notar die geschlossene letztwillige Verfügung des Erblassers eröffnen.
Rz. 271
Der Notar bestellt in bestimmten Fällen einen Verfahrenspfleger. Dies ist der Fall, wenn der als Erbe Betroffene ein Minderjähriger oder eine Leibesfrucht ist und keinen gesetzlichen Vertreter hat. Ein Verfahrenspfleger wird ferner dem als Erbe Betroffenen bestellt, wenn er sich an einem unbekannten Ort aufhält oder wenn sein Aufenthaltsort zwar bekannt ist, er jedoch an der Rückkehr gehindert ist. Tritt während des Nachlassverfahrens ein Interessenkonflikt zwischen einem minderjährigen Erben und seinem gesetzlichen Vertreter auf, so kann ebenfalls ein Verfahrenspfleger bestellt werden.
Rz. 272
Stellt der Notar aufgrund der ihm vorliegenden Angaben fest, dass ein Erbe an einer die Geschäftsfähigkeit ausschließenden oder beschränkenden Geisteskrankheit oder an einer sonstigen geistigen Behinderung leidet, verständigt er zwecks eventueller Einleitung eines Pflegschaftsverfahrens den zuständigen Staatsanwalt oder die zuständige Vormundschaftsbehörde. Das Nachlassverfahren wird im Falle der Einleitung des Pflegschaftsverfahrens bzw. bis zu dessen rechtskräftigen Beendigung ausgesetzt.
Rz. 273
Der Notar hat von Amts wegen zu prüfen, welchem Recht die gesamte Erbfolge oder deren einzelne Teilfragen (z.B. formelle und materielle Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung) unterliegen. Ist nach den Kollisionsvorschriften ausländisches Recht anwendbar, erkundigt sich der Notar über den Inhalt des anzuwendenden Rechts. Zur Feststellung des Inhalts des ausländischen Rechts kann der Notar jedes geeignete Mittel in Anspruch nehmen; er kann u.a. das Justizministerium oder das Notarinstitut um Rechtsgutachten ersuchen, die im Internet verfügbaren Informationsquellen nutzen, jedoch auch die von den als Erbe Betroffenen eingereichten Beweise über das ausländische Recht berücksichtigen.