Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
I. Allgemeines
Rz. 194
Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft besteht zwischen zwei Personen, wenn sie ohne die Ehe geschlossen zu haben in gemeinsamem Haushalt, in emotionaler und wirtschaftlicher Gemeinschaft leben. Das Bestehen der Lebensgemeinschaft kann nicht festgestellt werden, wenn einer der Partner mit einem Dritten verheiratet ist, mit einem Dritten in eingetragener Lebenspartnerschaft oder in einer tatsächlichen Lebenspartnerschaft lebt, mit dem Partner in gerader Linie verwandt ist oder der Partner sein Bruder oder seine Schwester ist. Die oben erwähnten Begriffselemente sind konjunktiv. Fehlt nur eines von ihnen, ist die Feststellung einer Lebensgemeinschaft ausgeschlossen.
Rz. 195
Die Lebensgemeinschaft ist ein besonderes, formloses Schuldverhältnis, das durch das tatsächliche Zusammenleben entsteht. Ein solches Rechtsverhältnis kann sowohl zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern als auch zwischen Partnern unterschiedlichen Geschlechts bestehen.
Rz. 196
Die Begriffskriterien der Lebenspartnerschaft sind mit denen der ehelichen Lebensgemeinschaft identisch. Die gemeinsame Haushaltsführung setzt das Zusammenwohnen und die gemeinsame Finanzierung der Lebenshaltungskosten voraus. Dies muss nicht unbedingt in einer konkreten Wohnung erfolgen, denn ein gemeinsamer Haushalt kann auch dann festgestellt werden, wenn die Lebensgefährten abwechselnd in der Immobilie des einen oder des anderen Partners zusammenwohnen. Die emotionale Gemeinschaft bedeutet, dass sich die Lebensgefährten vor Dritten zu ihrer Beziehung bekennen, als Familie zusammen sind; das Vorhandensein eines gemeinsamen Kindes und seine gemeinsame Erziehung begründen schon im Allgemeinen die emotionale Gemeinschaft. Das Begriffselement der wirtschaftlichen Gemeinschaft bedeutet – gemäß der heutigen Auslegung – die langfristige wirtschaftliche Tätigkeit der Lebensgefährten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Sie ist nicht auf den Erwerb einzelner Vermögensgegenstände ausgerichtet, sondern sie besteht während der ganzen Lebensgemeinschaft kontinuierlich und bedeutet viel mehr als nur das gemeinsame Bestreiten der alltäglichen Lebenshaltungskosten. So ein langfristiges Wirtschaftsziel kann – unter anderen – die Schaffung einer gemeinsamen Wohnmöglichkeit (Bauvorhaben, Immobilienkauf) darstellen oder z.B. eine dauerhafte Arbeitsleistung im Rahmen der Wirtschaftstätigkeit des Lebensgefährten, die über bloße Gefälligkeitsleistung hinausgeht.
Rz. 197
Im ungarischen Recht besteht die Möglichkeit, die gemeinsame Erklärung der Partner über das Bestehen ihrer Lebensgemeinschaft in einem öffentlichen Register – Register der Erklärungen über die Lebensgemeinschaft (ENYER) – unter notarieller Mitwirkung einzutragen. Diese Möglichkeit ändert jedoch nichts am tatsächlichen Charakter der Beziehung; die Lebensgemeinschaft entsteht nicht mit der Eintragung, sondern durch die Tatsache des Zusammenlebens. Die Eintragung hat Beweiszwecke: Sie weist nach, dass die Parteien eine gemeinsame Erklärung über das Bestehen ihrer Lebensgemeinschaft abgegeben haben. Die Eintragung ändert den zivilrechtlichen Status der Partner nicht; jeder der Lebensgefährten kann später die Registrierung der Tatsache beantragen, dass die erfasste Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht. Das Verfahren auf Eintragung wird im Kjnp. geregelt.
II. Rechtswirkungen der tatsächlichen Lebenspartnerschaft
Rz. 198
Die Lebensgemeinschaft entfaltet sowohl im Bereich des Vermögensrechts als auch des Personenstandsrechts geringere Rechtswirkungen als die Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft. Durch die Lebenspartnerschaft entsteht kein neuer Personenstand; der Lebensgefährte hat nicht das Recht, den Namen seines Partners zu führen; eine gegenseitige Solidaritätspflicht wird im Gesetz nicht erwähnt. Es entsteht keine Vaterschaftsvermutung (nicht einmal durch die Eintragung der Erklärung über die Lebensgemeinschaft); der Lebensgefährte kann die Vaterschaft nach den einschlägigen Vorschriften anerkennen.
Rz. 199
Die vermögensrechtlichen Wirkungen hängen davon ab, wann die Lebenspartnerschaft entstanden ist: vor oder nach Inkrafttreten des neuen Zivilgesetzbuchs (Ptk.). Die Wirkungen der vor Inkrafttreten des neuen Ptk. entstandenen Lebensgemeinschaften (Altfälle) unterliegen auch weiterhin den Bestimmungen des alten Zivilgesetzbuchs (alt-Ptk.), ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Aufhebung.
1. Altfälle
Rz. 200
Wurde die Lebensgemeinschaft – entweder durch gleichlautende Erklärung der Parteien oder durch ein Zwischenurteil des Gerichts – festgestellt, so besteht zwischen den Lebensgefährten ein gesetzlicher Güterstand, dessen Regeln teilweise mit denjenigen der ehelichen Gütergemeinschaft verwandt sind. Die Vorschriften der ehe...