Dr. Tibor Szocs, Dr. Ádám Tóth
Rz. 1
Das Erbstatut wird von Kapitel III der EuErbVO (Art. 20 ff.) bestimmt. Das ungarische autonome Kollisionsrecht spielt nur noch in Altfällen und bei Rechtsfragen eine Rolle, die vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen sind.
1. Altfälle
Rz. 2
In der ungarischen Praxis treten Erbfälle von Erblassern, die vor dem 17.8.2015 verstorben sind, noch relativ häufig auf. In diesen Fällen wird das anwendbare materielle Erbrecht von den Kollisionsregeln bestimmt, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Kraft waren. Die früheren ungarischen erbrechtlichen Kollisionsregeln wurden in der IPR-GVO (Nmtvr.) bestimmt. Gemäß § 36 Abs. (1) IPR-GVO war das Erbstatut das letzte Personalstatut des Erblassers. Das Personalstatut wurde grundsätzlich durch die Staatsangehörigkeit bestimmt; das Personalstatut von Doppelbürgern mit ungarischer Staatsangehörigkeit war stets das ungarische Recht; das Personalstatut von Doppelbürgern ohne ungarische Staatsangehörigkeit sowie dasjenige von Heimatlosen wurde dagegen durch den Wohnsitz bestimmt (§ 11 IPR-GVO). Ein Renvoi war gem. § 4 IPR-GVO insoweit angenommen, als es auf das ungarische Sachrecht zurückweist. Bezüglich Formgültigkeit von letztwilligen Verfügungen sah § 36 Abs. (2) IPR-GVO die aus dem Haager Testamentsformübereinkommen (1961) bekannten alternativen Anknüpfungsregeln vor; die Formgültigkeit konnte jedoch auch nach dem ungarischen Recht als lex fori geprüft werden.
2. Vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommene Rechtsfragen
Rz. 3
Das am 1.1.2018 in Kraft getretene neue IPRG (Nmtv.) enthält in seinem Kapitel VIII einige ergänzende Bestimmungen zur EuErbVO. § 64 IPRG regelt die Formgültigkeit von mündlichen Testamenten; es wurden die in Art. 27 EuErbVO vorgesehenen Anknüpfungsregeln übernommen, ergänzt um das ungarische Recht (lex fori).
Rz. 4
Größere praktische Bedeutung hat dagegen § 65 IPRG. Nach dieser Bestimmung sind die ungarischen materiellrechtlichen Vorschriften über das Fiskuserbrecht subsidiär anzuwenden, wenn der im Inland belegene inländische Nachlass nach dem Erbstatut keinen (zivilrechtlichen) Erben hat. Diese Vorschrift erfasst die in Art. 33 EuErbVO nicht geregelten negativen Konfliktfälle, in denen das Erbstatut das öffentlich-rechtliche Aneignungsrecht, nicht jedoch das zivilrechtliche Fiskuserbrecht kennt. Ein Aneignungsrecht nach dem ausländischen lex causae wird somit in Ungarn hinsichtlich des inländischen Nachlassvermögens nicht anerkannt.