Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
Rz. 117
Der Scheidungsprozess hat zwei Arten: Scheidung aufgrund gleichlautender Erklärungen der Ehegatten (einvernehmliche Scheidung) bzw. Scheidung nach Klärung der Ursachen, die zum Scheitern der Lebensgemeinschaft geführt haben (die sog. "tatbestandsgemäße Scheidung" im Fachjargon der ungarischen Juristen). Zwischen den beiden Scheidungsprozessen besteht die Möglichkeit der Umwandlung, denn ein Scheidungsprozess mit einvernehmlicher Willenserklärung der Ehegatten kann in einen "tatbestandsgemäßen" Prozess übergehen, aber ein "tatbestandsgemäßer" Prozess kann auch mit einem Vergleich der Parteien abgeschlossen werden.
1. Ehescheidungsprozess aufgrund gleichlautender Willenserklärungen der Parteien
Rz. 118
Liegen gleichlautende Willenserklärungen der Ehegatten vor, untersucht das Gericht den Zerrüttungshergang nicht, denn die Vereinbarung zeigt, dass die Parteien die Ehe nicht wiederherstellen wollen. Die Auflösung des Ehebandes beruht auf dem endgültigen und unwiederherstellbaren Scheitern der Ehe, aber zum Beweis dessen reicht – wegen der allumfassenden Vereinbarung – die gleichlautende Erklärung der Parteien aus.
Rz. 119
Die materiell-rechtlichen Voraussetzung der Scheidung dieser Art ist, dass die Ehegatten vorher alle gesetzlich vorgeschriebene Folgesachen im Einvernehmen regeln müssen:
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Ausübung der elterlichen Sorge für das gemeinsame minderjährige Kind (gemeinsames oder alleiniges Sorgerecht); |
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Umgangsrecht des anderen Elternteils mit dem minderjährigen Kind (regelmäßiger und gelegentlicher Umgang); |
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Unterhalt für das für das gemeinsame minderjährige Kind; |
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Nutzung der letzten gemeinsamen Ehewohnung (geteilt, oder ausschließliche Nutzung durch einen der Ehegatten, aber auch der Verzicht auf die Regelung der Wohnungsfrage kann einvernehmlich erklärt werden). |
Es ist zwar nicht zwingend, aber die Ehegatten können im Einvernehmen einen Ehegattenunterhalt vereinbaren.
Rz. 120
Die verfahrensrechtliche Voraussetzung der Scheidung aufgrund gleichlautender Erklärungen ist, dass der Vergleich der Ehegatten in das als öffentliche Urkunde geltende Verhandlungsprotokoll aufgenommen und vom Gericht mit einem Beschluss genehmigt wird. Dieser gerichtlich genehmigte Vergleich entfaltet urteilsähnliche Wirkungen (materielle Rechtskraft) und ist sofort vollstreckbar. Das Gericht hat nicht nur eine formelle Aufgabe; es übt bei der Genehmigung eine Kontrolle über den Vergleich der Parteien aus. Es prüft, ob die vertraglichen Willenserklärungen ohne Beeinflussung abgegeben wurden bzw. ob im Vergleich die Interessen minderjähriger Kinder und der schwächeren Partei berücksichtigt wurden. Kommt das Gericht zur Überzeugung, dass die Vereinbarung schwer einseitig oder interessenfeindlich ist, verweigert es die Genehmigung.
2. Scheidung nach Aufklärung der Ursachen, die zum Scheitern der Lebensgemeinschaft geführt haben
Rz. 121
In Ermangelung einer gleichlautenden Erklärung der Ehegatten oder wenn sie in einer der Folgesachen (elterliche Sorge, Höhe des Kindesunterhalts, Umgangsrechtsregelung, Nutzung der Ehewohnung) keine Einigung erzielen können, muss das Gericht die Ursachen für das Scheitern der Ehe klären und das Beweisverfahren bezüglich der streitigen Folgesachen durchführen. Im überwiegenden Teil der Fälle beantragen beide Ehegatten einvernehmlich die Scheidung, aber es fehlt der Konsens meistens in einer Folgesache. Es kommt vor, dass die Eltern das Sorgerecht geregelt haben, aber in Höhe des Unterhalts oder Art und Dauer des Umgangsrechts keine Einigung erzielen konnten. Über die einvernehmlich geregelten Fragen können sie vor dem Gericht einen Vergleich schließen, dann entscheidet das Gericht nur über die streitigen Sachen mit einem Urteil.