Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
Rz. 122
Für die Scheidung einer Ehe ist ausschließlich ein Gericht (das Kreisgericht) zuständig. Für die Scheidungsprozesse gelten die allgemeinen Verfahrensregeln der neuen Zivilprozessordnung (Pp.), mit den Abweichungen, die in den Kapiteln XXXI (gemeinsame Sondervorschriften für alle Streitigkeiten betreffend Personenstandsprozesse) und XXXIII (besondere Vorschriften für Eheprozesse) vorgesehen sind.
Rz. 123
Für den Scheidungsprozess ist das Kreisgericht örtlich zuständig, das nach den Regeln der allgemeinen Zuständigkeit zuständig ist. Außerdem ist jedoch auch das Kreisgericht zuständig, in dessen Amtsbezirk die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten. Die objektive Klagehäufung ist sehr beschränkt zulässig. Mit der Scheidungsklage kann ausschließlich eine der im Gesetz aufgezählten Klagen verbunden werden; die Verbindung einer ehegüterrechtlichen Klage mit der Scheidungsklage ist nach den neuen Verfahrensregeln nicht mehr statthaft. Ein Ehegatte mit beschränkter Geschäftsfähigkeit verfügt im Prozess über die volle Prozessfähigkeit; bei mangelnder Prozessfähigkeit wird er im Prozess von dem gesetzlichen Vertreter vertreten; im Falle einer Interessenkollision wird ihm ein Sachwalter bestellt.
Rz. 124
Das Verfahren wird in zwei Abschnitte geteilt: die Prozessaufnahme und die Hauptverhandlung. Da in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht kein Anwaltszwang herrscht (die Parteien können selbst verfahren), können die Parteien angesichts des persönlichen Charakters des Scheidungsverfahrens und der sich ändernden Lebensverhältnisse im Abschnitt der Prozessaufnahme auch mündliche Erklärungen abgeben; der Kläger kann die Klage bzw. der Beklagte den Inhalt der Klageerwiderung oder gegebenenfalls seine Widerklage ändern.
Rz. 125
Im Abschnitt der Prozessaufnahme haben die Parteien persönlich zu erscheinen. Bei Nichterscheinen des Klägers entscheidet das Gericht von Amts wegen über die Beendigung des Verfahren; bei Nichterscheinen des Beklagten wird – je nach Antrag des Klägers – das Verfahren beendigt oder eine Prozessaufnahmeverhandlung durchgeführt. Der Kläger kann im beliebigen Abschnitt des Verfahrens die Klage ohne Zustimmung des Beklagten zurücknehmen. Die Parteien können im Laufe des Verfahrens jederzeit einen Vergleich schließen und das Gericht kann zur Förderung eines Vergleichs zwingend eine Schlichtung (Mediation) anordnen.
Rz. 126
Im Scheidungsverfahren gilt in weitem Umfang der Amtsermittlungsgrundsatz. Dies ermöglicht dem Gericht, das Verfahren vielfach von Amts wegen zu betreiben: Es kann z.B. die von ihm für notwendig gehaltenen Beweise auch ohne Beweisantrag erheben sowie einstweilige Verfügungen treffen. Das Gericht hat im Urteil auch ohne einen diesbezüglichen Klageantrag über die Regelung der elterlichen Sorge (nötigenfalls über die Unterbringung des Kindes bei einem Dritten) sowie über den Unterhalt eines minderjährigen Kindes zu verfügen. Im Urteilstenor hat es auch die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien festzustellen. Im Scheidungsverfahren aufgrund gleichlautender Erklärungen der Ehegatten darf das Gericht mit seinem Urteil die Ehe erst scheiden, wenn die Parteien alle Folgesachen im Einvernehmen geregelt haben und das Gericht ihren Vergleich mit einem Beschluss genehmigt hat.