Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
1. Internationale Zuständigkeit
Rz. 127
Gemäß § 101 Abs. (1) IPRG sind ungarische Gerichte für Scheidung oder Ungültigerklärung von Ehen international zuständig, wenn zumindest einer der Ehegatten die ungarische Staatsangehörigkeit besitzt. Es handelt sich hierbei natürlich um eine Restzuständigkeit gemäß Art. 7 Brüssel IIa-VO; diese Zuständigkeitsvorschrift kann also eine inländische Zuständigkeit erst dann begründen, wenn keiner der EU-Mitgliedstaaten nach der Verordnung international zuständig ist.
Rz. 128
Eine Sondervorschrift gilt für Prozesse auf Feststellung von Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe. Für solche Prozesse sind die ungarischen Gerichte gemäß § 101 Abs. (2) IPRG international zuständig, wenn zumindest einer der Ehegatten die ungarische Staatsangehörigkeit besitzt, oder der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Da diese Verfahren nach herrschender Meinung vom Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO nicht erfasst ist, gilt diese Zuständigkeitsvorschrift uneingeschränkt.
Rz. 129
Ungarn hat einige bilaterale Rechtshilfeabkommen, die (direkte) Zuständigkeitsvorschriften für Ehesachen enthalten, die Vorrang gegenüber den im IPRG vorgesehenen Regeln haben.
2. Kollisionsrecht
Rz. 130
Ungarn ist ein teilnehmender Mitgliedstaat der Rom III-VO. Mit Rücksicht auf die universelle Anwendung der Scheidungskollisionsvorschriften der VO enthält das neue ungarische IPRG – bis auf eine einzige Bestimmung – keine diesbezüglichen Regeln mehr. § 30 IPRG setzt der Rechtswahl gemäß Art. 5 Abs. (3) zeitliche Schranken: Im Laufe des Verfahrens können die Ehegatten die Rechtswahl spätestens im Verfahrensabschnitt der Prozessaufnahme innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist treffen.
Rz. 131
Die meisten bilateralen Rechtshilfeabkommen enthalten Kollisionsregeln betreffend die Ehesachen.
3. Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen
a) Anerkennungsvoraussetzungen
Rz. 132
Bezüglich der in den EU-Mitgliedstaaten erlassenen Entscheidungen sind die Anerkennungsvorschriften der Brüssel IIa-VO anwendbar; für die Anerkennung von Entscheidungen aus Drittstaaten sind die Anerkennungsregeln des IPRG maßgebend. Es gelten sinngemäß die bereits erwähnten allgemeinen Voraussetzungen der Anerkennung ausländischer Entscheidungen.
Rz. 133
Unter Titel 40 enthält das IPRG besondere Anerkennungsvoraussetzungen bezüglich Entscheidungen in Personenstands- und familienrechtlichen und Angelegenheiten. Diese besonderen Vorschriften regeln u.a. die indirekte Zuständigkeit in solchen Angelegenheiten. Gemäß § 116 Abs. (1) sind die ausländischen Gerichte bzw. Behörden in Ehesachen (Scheidung, Ungültigerklärung, Feststellung von Bestehen bzw. Nichtbestehen der Ehe) aus ungarischer Sicht international zuständig, wenn ihre Zuständigkeit durch
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den gewöhnlichen Aufenthalt des beklagten Ehegatten, |
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den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten oder |
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die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten |
begründet wurde.
Selbst wenn das ausländische Gericht keine indirekte Zuständigkeit hatte, kann seine Entscheidung in Ungarn doch anerkannt werden, wenn die Anerkennung von der Partei mit ungarischer Staatsangehörigkeit beantragt wird (§ 116 Abs. (2) IPRG).
Rz. 134
Die meisten bilateralen Rechtshilfeabkommen von Ungarn enthalten Anerkennungsregeln in Ehesachen.