I. Rechtsgrundlagen
Rz. 219
Die Behandlung zahlungsunfähiger Unternehmen richtet sich in Ungarn nach dem Gesetz Nr. 1991/XLIX (kurz "Cstv."), das zwischen dem Vergleichsverfahren, welches auf die Reorganisation des Unternehmens abzielt, und dem Konkursverfahren, welches auf die Abwicklung des Unternehmens abzielt, unterscheidet. In Ungarn gibt es bis zum heutigen Tag kein einheitliches Insolvenzgesetz. Weiterhin regelt das Gesetz Nr. 2006/V das freiwillige Liquidationsverfahren, welches Anwendung findet, wenn eine Gesellschaft, die nicht zahlungsunfähig ist, ihre Liquidation beantragt.
Rz. 220
Vergleichs- oder konkursfähig sind gem. § 3 Abs. 1 Buchst. a), b) Cstv. lediglich Wirtschaftsgesellschaften, d.h. über das Vermögen natürlicher Personen kann kein Vergleichs- oder Konkursverfahren eröffnet werden. Mit Wirkung vom 1.9.2015 wurde vom ungarischen Gesetzgeber auch ein Insolvenzverfahren für natürliche Personen geschaffen, welches von Verbrauchern, aber auch Einzelunternehmern in Anspruch genommen werden kann.
Rz. 221
Zuständiges Gericht ist gem. § 6 Cstv. für Konkurs- und Liquidationsverfahren der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständige Gerichtshof. Bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren ausländischer Gesellschaften nach der VO 2015/848/EG (EuInsVO) ist der Hauptstädtische Gerichtshof in Budapest ausschließlich zuständig.
Rz. 222
Für Unternehmen, die in strategischer Hinsicht von gehobener Bedeutung sind (das Gesetz enthält einen langen Katalog von Gesichtspunkten, mit denen die ungarische Regierung das Vorliegen einer solchen strategischen Bedeutung begründen kann), kann durch Regierungsbeschluss die Durchführung eines Sonderinsolvenzverfahrens angeordnet werden, auf das eine Vielzahl von Sondervorschriften anzuwenden ist. Vergleichs- bzw. Konkursverwalter in einem solchen Verfahren kann lediglich eine im Staatseigentum stehende Nonprofit-Insolvenzverwaltergesellschaft sein.
II. Vergleichsverfahren
Rz. 223
Das Vergleichsverfahren dient der Reorganisation der zahlungsunfähigen Gesellschaft. Eine Überleitung des Verfahrens ins Konkursverfahren bleibt jedoch möglich. Der Geschäftsführer der GmbH ist gem. § 7 Abs. 1 Cstv. zuständig zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Er muss jedoch vor Antragstellung zwingend die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen, § 8 Abs. 1 Cstv. Die Antragstellung ist nur über einen Rechtsanwalt auf elektronischem Wege möglich; das Gericht veröffentlicht binnen eines Arbeitstages den Antrag auf Verfahrenseröffnung und entscheidet binnen 15 Tagen darüber. Gläubiger sind nicht antragsberechtigt.
Rz. 224
Dem Antrag beizufügen sind gem. § 8 Abs. 2 Cstv. u.a. der schriftliche Nachweis der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung, eine einfache Bilanz, die nicht älter als drei Monate sein darf, die Auflistung der Gläubiger der Gesellschaft und eine Auflistung der Höhe und Fälligkeitstermine der Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Sofern das Gericht dem Antrag auf Verfahrenseröffnung stattgibt, veröffentlicht es seinen Beschluss im Firmenamtsblatt. Das Verfahren beginnt am Tag der Veröffentlichung.
Rz. 225
Ab dem Tag der Veröffentlichung des Antrags auf Verfahrenseröffnung steht der GmbH ein vorläufiges Moratorium zu. Das vorläufige Moratorium endet entweder mit der Ablehnung des Antrags oder mit der Anordnung des Vergleichsverfahrens. Wenn das Insolvenzgericht das Vergleichsverfahren einleitet, ordnet es ein "normales" Moratorium an. Das Gericht veranlasst gem. § 10 Abs. 1 Cstv. die Veröffentlichung des Moratoriums im Firmenamtsblatt. Das Moratorium dauert höchstens 180 Tage an. Mit Zustimmung der Gläubiger kann das Moratorium auf bis zu 365 Tage verlängert werden. Während der Gültigkeit des Moratoriums können – mit Ausnahme der im Gesetz aufgelisteten Ausnahmen (z.B. Lohnzahlungen) – keine Forderungen gegen den Schuldner vollstreckt werden und der Schuldner kann keine wirksame Erfüllung von Ansprüchen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens bestanden, bewirken.
Rz. 226
Das Insolvenzgericht setzt einen Vergleichsverwalter ein, den es aus der Liquidatorenliste auswählt. Aufgabe des Vergleichsverwalters ist gem. § 13 Abs. 3 Cstv. u.a. die Überprüfung der Vermögenssituation der Gesellschaft und die Anweisung der Gesellschaft zur Beitreibung ihrer Forderungen. Die Vergütung und die üblichen Auslagen des Vergleichsverwalters trägt der Schuldner, also die Gesellschaft. Die Vergütung gem. § 16 Abs. 3 Cstv. ist in Abhängigkeit des Buchwertes der Vermögensgegenstände der Gesellschaft, aufgeführt in der einfachen Bilanz, gestaffelt von 0,25–2,0 %.
Rz. 227
Der Vergleichsverwalter muss mit der gebotenen Sorgfalt handeln; im Rahmen der Bestimmungen des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches haftet er für Schäden, die aufgrund einer Verletzung seiner Pflichten entstanden sind.
Rz. 228
Der Gesellschaft obliegt die Erstellung eines Programmes zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit sowie eines Vergleichsvorschlags, § 17 Abs. 3 Cstv. Zum Erreichen dieses Zieles ist während des Morator...