Dr. Tibor Szocs, Dr. Ádám Tóth
1. Allgemeines
Rz. 166
Der Pflichtteil ist eine verbindlich zustehende Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers. Pflichtteilsberechtigte sind die Abkömmlinge, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers, wenn sie beim Erbfall mangels letztwilliger Verfügung gesetzliche Erben des Erblassers wären.
2. Pflichtteil der Abkömmlinge
Rz. 167
Die Höhe des Pflichtteils eines Abkömmlings richtet sich immer nach dem gesetzlichen Erbteil und beträgt ein Drittel von diesem. Bei der Bestimmung der Höhe des Pflichtteils ist somit zuerst der gesetzliche Erbteil zu bestimmen und dieser ist zu dritteln.
3. Pflichtteil der Eltern
Rz. 168
Die Höhe des Pflichtteils der Eltern des Erblassers richtet sich ebenfalls nach dem gesetzlichen Erbteil; die Höhe des Pflichtteils ist auch hier ein Drittel des gesetzlichen Erbteils. Bei der Feststellung des Pflichtteils des Elternteils ist jedoch
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derjenige Vermögensteil, der auf ihn nach den allgemeinen Vorschriften der Erbfolge übergeht, und |
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derjenige Vermögensteil, den er als Rückfallerbe (siehe Rdn 70 ff.) erwirbt (Rückfallvermögen), |
getrennt zu berücksichtigen.
Rz. 169
Ist kein Ehegatte vorhanden, so wird das Rückfallvermögen von dem Elternteil geerbt, von dessen Stamm dieses Vermögen auf den Erblasser übergegangen ist. Das sonstige Nachlassvermögen des Erblassers wird zwischen den Eltern geteilt. Die Berechnung des Pflichtteils hat somit in diesem Fall zwei unterschiedliche Grundlagen, weil der Kreis der beiden Vermögensmassen innerhalb des Nachlasses gesondert festzustellen ist. Der Pflichtteil des Elternteils ist je ein Drittel des gesetzlichen Erbteils hinsichtlich der beiden Vermögensmassen.
4. Pflichtteil des Ehegatten
Rz. 170
Auch der Pflichtteil des Ehegatten richtet sich nach seinem gesetzlichen Erbteil, je nachdem, ob er den Nießbrauch oder das Eigentum erben würde (d.h. ob er neben Abkömmlingen oder ohne Abkömmlinge erbt). Der überlebende Ehegatte erbt einen Nießbrauch in folgenden Fällen:
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Wenn er neben den Abkömmlingen des Erblassers erbt; in diesem Fall steht ihm der Nießbrauch an der mit dem Erblasser gemeinsam bewohnten Wohnung und den zugehörenden Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen zu (siehe Rdn 49); |
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bei einer Rückfallerbfolge; in diesem Fall erstreckt sich der Nießbrauch auf das Rückfallvermögen (siehe Rdn 76). |
Rz. 171
Der dem Ehegatten in Form des Nießbrauchs zustehende Pflichtteil ist ein beschränkter Nießbrauch, der ihm seine Bedürfnisse mit Rücksicht auf die von ihm geerbten Vermögensgegenstände sichert. Der im Wege der gesetzlichen Erbfolge den Nießbrauch erbende Ehegatte kann seinen Pflichtteil auch derart verlangen, als wäre sein Nießbrauch abgelöst worden.
Rz. 172
Der Umfang dieses beschränkten Nießbrauchs des Ehegatten hängt davon ab, unter welchen finanziellen Umständen der Erblasser und sein Ehegatte gelebt haben und welchen Wert das Nachlassvermögen hat. Bei der Feststellung des Umfangs ist zu berücksichtigen, dass dem Ehegatten die Nutzung der mit dem Erblasser gemeinsam bewohnten Wohnung – wenn dies das notwendige Maß nicht überschreitet – stets gesichert werden muss. Der Umfang des Nießbrauchs kann aber beschränkt werden bei einem mit der Nutzung der Wohnung nicht unbedingt zusammenhängenden, gesondert nutzbaren Nebengebäude, bei einem größeren und die begründeten Bedürfnisse des überlebenden Ehegatten überschreitenden, u.U. nicht benutzten Garten oder bei einer anderen, zum Anbau geeigneten Bodenfläche. Soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen, ist der Umfang der Nutzung genau zu bestimmen. Der Eigentumsanteil des Erben, an dem das Nießbrauchsrecht des überlebenden Ehegatten nicht besteht, ist im Verhältnis des derart bestimmten Maßes der Nutzung zu bestimmen.
Rz. 173
Hinsichtlich des Vermögens, an dem der überlebende Ehegatte im Falle der gesetzlichen Erbfolge das Eigentum (und nicht den Nießbrauch) erben würde, ist die Höhe seines Pflichtteils ein Drittel, ebenso wie bei den sonstigen Pflichtteilsberechtigten.
5. Berechnungsgrundlage des Pflichtteils und Anrechnung
Rz. 174
Gemäß § 7:80 Ptk. liegt dem Pflichtteil der reine Wert des Nachlasses zugrunde, d.h. der Wert des Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten, jedoch wird der reine Wert der vom Erblasser unter Lebenden – unabhängig, an wen – geleisteten unentgeltlichen Zuwendungen hinzugerechnet. Maßgebend ist der Wert zur Zuwendungszeit. Wäre jedoch die Berücksichtigung des zur Zeit der Zuwendung maßgebenden Werts schwer unbillig, kann das Gericht bewilligen, dass ein anderer – unter Beachtung der Umstände – bestimmter Wert der Zuwendung berücksichtigt wird. Bei der Berechnung des reinen Werts des Nachlasses dürfen die Vermächtnisse und die Auflagen nicht als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.
Rz. 175
Nicht zur Bemessungsgrundlage des Pflichtteils gehören folgende Zuwendungen:
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der Wert der unentgeltlichen Zuwendungen, die der Erblasser länger als zehn Jahre vor seinem Tod – gleichgültig, an wen – ge... |