Leitsatz
In Unterhaltsstreitigkeiten wendet der Unterhaltspflichtige nicht selten ein, ein Unterhaltsanspruch sei wegen des Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Unterhalt Begehrenden verwirkt. Nach welchen Zeitabläufen und unter welchen weiteren Umständen eine verfestigte Lebensgemeinschaft angenommen werden kann, ist im Gesetz nicht geregelt und lässt sich nicht allgemein verbindlich festlegen.
Mit eben diesen Problemen hat sich das OLG Karlsruhe in der vorliegenden Entscheidung beschäftigt.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1979 geheiratet und lebten seit Januar 2007 getrennt. Sie stritten über die Zahlung nachehelichen Unterhalts. Zwischen 1983 und 1999 ging die Ehefrau einer Nebentätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Schneiderin nach, beschäftigte sich jedoch primär mit der Erziehung der beiden inzwischen volljährigen Kinder der Parteien.
Noch vor der Trennung ca. Mitte 2006 lernte die Ehefrau einen neuen Partner kennen, mit dem sie dann gemeinsam Reisen unternahm und mit dem sie unstreitig bis mindestens September 2008 eine Beziehung mit gemeinsamen Urlauben und Freizeitgestaltung an den Wochenenden Donnerstag bis Sonntag führte. An diesen langen Wochenende übernachtete die Ehefrau bei dem neuen Partner, wo sie jedenfalls von Januar 2009 bis Juli 2010 auch ihre Berufstätigkeit ausübte und sich dort ein zweites berufliches Standbein aufbaute. Die berufliche Tätigkeit an dem Wohnort ihres neuen Partners beendet die Ehefrau ca. Mitte Juli 2010, auch Übernachtungen dort fanden nicht mehr statt.
Die Ehefrau machte gegenüber dem Ehemann nachehelichen Unterhalt geltend. Der Ehemann wandte Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen des Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft ein.
Das AG hat im Januar 2010 den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 2 BGB bis Mai 2011 befristet.
Hiergegen wandte sich die Ehefrau mit der Berufung. Ihr Rechtsmittel war insoweit erfolgreich, als das OLG den Ehemann ohne Befristung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von 763,00 EUR monatlich verurteilte.
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG war der Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in der vom AG festgesetzten und in der Berufung nicht angegriffenen Höhe von 763,00 EUR nicht gemäß § 1579 BGB zu beschränken oder zu versagen. Eine Verwirkung ergebe sich weder im Hinblick auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin noch unter dem Gesichtspunkt der mutwilligen Verletzung von Vermögensinteressen des Verpflichteten oder des offensichtlichen schwerwiegenden, eindeutig beim Berechtigten liegenden Fehlverhaltens. Auch eine Herabsetzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB sei derzeit nicht vorzunehmen.
Das OLG führte aus, dass für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht entscheidend sei, ob die Partner zusammenlebten oder ob es zu Intimitäten zwischen ihnen gekommen sei. Entscheidend sei, ob die Partner ihre Lebensverhältnisse so aufeinander eingestellt hätten, dass sie wechselseitig füreinander einständen und damit ihr Zusammenleben ähnlich gestalteten, wie es sich aufgrund der nach außen dringenden Gegebenheiten auch in einer Ehe darstelle.
Bei einem Zusammenleben der Partner könne erst ab einer Dauer von zwei bis drei Jahren beurteilt werden, ob sich die Lebensgemeinschaft gefestigt habe und die Partner für einander einstehen wollten. Lebten die Partner nicht räumlich zusammen und führten keinen gemeinsamen Haushalt, sei eine verfestigte Beziehung erst dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren nach außen hin als Paar aufträten. Vorliegend habe zwischen der Ehefrau und dem neuen Partner mindestens in dem Zeitraum April/Mai 2006 bis September/Oktober 2008 eine intime Beziehung bestanden, während derer sie die Wochenenden, Weihnachten und Urlaube zusammen verbracht hätten.
Für ihre berufliche Tätigkeit an dem Wohnort ihres neuen Partners habe die Ehefrau erhebliche Fahrtkosten auf sich genommen, so dass die Beziehung der beiden in der Öffentlichkeit als wechselseitig füreinander einstehend erschienen sei. Dem Ehemann sei der Beweis für das Fortbestehen der verfestigten Lebensgemeinschaft über Juli 2010 hinaus jedoch nicht gelungen, er sei insoweit beweispflichtig.
Aufgrund der fortbestehenden ehebedingten Nachteile sei der ihr Unterhaltsanspruch derzeit weder herabzusetzen noch zu befristen.
Hinweis
Zu Recht geht das OLG davon aus, dass der Unterhaltspflichtige das Bestehen und auch das Fortbestehen der verfestigten Lebensgemeinschaft bei einer behaupteten Trennung beweisen muss. Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Bestehen einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht von einem räumlichen Zusammenleben des Paares abhängig ist. Ob auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden kann, obliegt der Beurteilung des Tatrichters.
Ob sich die bislang nur vom OLG Karlsruhe vertretene Auffassung durchsetzen wird, wonach bei nach außen als Paar auftretenden Pa...