Leitsatz
Anspruchsgrundlage für den Unterhaltsanspruch eines in der DDR unter Anwendung von DDR-Recht geschiedenen Ehegatten für Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt gegenüber dem anderen Ehepartner, der noch vor dem 3. Oktober 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt ist, sind nicht die Vorschriften des Familiengesetzbuches der DDR, sondern die §§ 1569 ff. BGB.
Sachverhalt
Die im Jahre 1978 geschlossene Ehe der Parteien, aus der 4 gemeinsame Kinder hervorgingen, wurde durch Urteil eines Kreisgerichts unter Anwendung von DDR-Recht im Januar 1990 rechtskräftig geschieden. Das Erziehungsrecht für die 4 Kinder wurde der Ehefrau übertragen. Der Ehemann wurde zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt. In der Folgezeit übersiedelte der Ehemann im April 1990 aus dem Gebiet der ehemaligen DDR in die damalige Bundesrepublik Deutschland und ging dort im Juli 1990 eine neue Ehe ein. Die geschiedene Ehefrau verzog im Oktober 1991 mit den Kindern aus der geschiedenen Ehe in die alten Bundesländer.
Im Jahre 1993 erhob sie Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts gegen ihren geschiedenen Ehemann. Das erstinstanzliche Gericht gab ihrer Klage weitgehend statt. Auf die Berufung des Ehemannes und die Anschlussberufung der Ehefrau urteilte das OLG etwas geringere Unterhaltsbeträge aus. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgte der Ehemann seinen Klageabweisungsantrag weiter. Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BGH ist der Auffassung des OLG gefolgt, wonach die Frage, ob der Klägerin ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht, nach den §§ 1569 ff. BGB und nicht nach dem FGB der DDR zu beurteilen ist.
Art. 234 § 5 S. 1 EGBGB i.d.F. des Einigigungsvertrages bestimmt unter Einschränkung des § 1 der Regelung, dass für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden ist, das bisherige Recht maßgebend bleibt. Aus dieser Übergangsvorschrift ergibt sich nicht, in welchen Fällen das Recht der DDR "bisheriges Recht" war. Diese Frage ist vielmehr nach innerdeutschem Kollisionsrecht zu beantworten. Danach ist seit dem Inkrafttreten des IPR-Neuregelungsgesetzes 1986 im innerdeutschen Kollisionsrecht der alten Bundesländer die Bestimmung des Art. 18 Abs. 5 EGBGB entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass für den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt das bundesdeutsche Recht maßgebend ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 aus der ehemaligen DDR in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt ist, d.h., hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hat.
Im vorliegenden Fall ist der Beklagte am 20.04.1990 in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt. Die Frage, ob der Klägerin gegen ihn ein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zusteht, ist somit nach den §§ 1569 ff. BGB zu entscheiden.
In dem zu beurteilenden Zeitraum betreute die Klägerin 4 gemeinschaftliche Kinder im Alter von 5, 7, 11 und 13 Jahren. Danach ist das OLG zu Recht von einem Anspruch auf Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB ausgegangen.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH ist im Schrifttum teilweise auf Kritik gestoßen (vgl. Göttinger/Linke, Unterhaltsrechte, 6. Aufl., Rz. 3422; Dieckmann in FamRZ 1994, S. 1073; Siehr, IPRax 1994, S. 360). Die Kritik befürwortet teilweise die Beibehaltung der Grundsätze der vor dem Inkrafttreten des IPR-Neuregelungsgesetzes 1986 entwickelten Senatsrechtssprechung, teilweise vertritt sie die Auffassung, auch diese müssten zugunsten der Anwendbarkeit des DDR-Rechts aufgegeben werden, falls nicht bereits ein Vertrauenstatbestand für die Anwendung des BGB geschaffen worden sei, z.B. durch Titulierung.
Letzteres wird insbesondere auf Erläuterungen des Gesetzgebers zu Art. 234 § 5 EGBGB gestützt, in denen ausgeführt wird, es könne zu einer erheblichen Störung des Rechtsfriedens führen, wenn Unterhaltsansprüche entstünden, mit denen keiner der Ehegatten gerechnet habe. Diese Erläuterungen beziehen sich auf eine Vorschrift, die nach allgemeiner Auffassung voraussetzt, dass das DDR-Recht nach innerdeutschem Kollisionsrecht überhaupt anwendbar ist. Sie können daher nicht so verstanden werden, dass sich die unterhaltsrechtlichen Beziehungen von Ehegatten, die vor dem Beitritt in der ehemaligen DDR geschieden worden sind und dort dem Unterhaltsrecht der DDR unterstanden haben, nach dem Einigungsvertrag in allen Fällen nach dem Recht der DDR bestimmen sollen. Ist einer der geschiedenen Ehegatten oder sind beide vor dem Beitritt in die Bundesrepublik übergesiedelt, so ist die Frage des "bisherigen Rechts" i.S.v. Art. 234 § 5 EGBGB unter Anwendung interlokalen Kollisionsrechts danach zu beurteilen, welches Sachrecht die Unterhaltsbeziehungen vor dem Beitritt bestimmt hat. In Fällen der vorliegenden Art ist zu fragen, welches Sachrecht anzuwenden gewesen wäre, wenn nach Inkrafttreten des IPR-Neuregelungsgesetzes 1986, aber vor dem Beitritt, ein in der DDR geschiedener und dort verbliebener Ehegatte gegen den in die Bundesrepubl...