Leitsatz
Der BGH sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob von dem Unterhaltspflichtigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze erzielte Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bei der Berechnung zu leistenden Kindes- und Ehegattenunterhalts zu berücksichtigen sind.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um Kindes- und Ehegattenunterhalt. Sie waren geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe war ein im September 1989 geborener Sohn hervorgegangen, der gegen seinen Vater Kindesunterhalt geltend machte.
Die Parteien hatten im Jahre 1989 geheiratet und waren im Mai 2004 rechtskräftig geschieden worden. Der Beklagte war selbständiger Apotheker und nach Vollendung seines 65. Lebensjahres noch erwerbstätig. Die Klägerin war Sekretärin. Sie arbeitete während der Ehe bei dem Beklagten. Inzwischen übte die Klägerin eine ABM-Tätigkeit aus und bezog ergänzend Leistungen nach dem SGB II.
Das AG hat den Beklagten zu Trennungs-, nachehelichem und Kindesunterhalt aus der Summe seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und seiner nun bezogenen Altersrente verurteilt. Das OLG hat den Ehegatten- und Kindesunterhalt leicht erhöht.
Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die auf der nachehelichen Solidarität beruhende Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen nicht weiter reichen könne, als die Eigenverantwortung des Unterhaltsberechtigten selbst.
Der Maßstab des § 1571 BGB für den Altersunterhalt, der mit Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze beansprucht werden könne, sei nach § 242 BGB auch auf die zeitlichen Grenzen der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen anzuwenden.
Die Erzielung von Einkommen über diesen Zeitpunkt hinaus sei regelmäßig als überobligatorisch anzusehen.
Allerdings führe die Überobligationsmäßigkeit der Erwerbseinkünfte nicht dazu, dass das gesamte Einkommen anrechnungsfrei bleibe. Vielmehr sei aufgrund einer Würdigung der Einzelfallumstände zu ermitteln, ob es zum Teil anzurechnen sei. Dabei seien insbesondere die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sowie vor allem auch der Umstand, ob im Rahmen des Versorgungsausgleichs Versorgungsanwartschaften übertragen worden seien und der Unterhaltspflichtige die Erwerbstätigkeit nur fortsetze, um die Versorgungslücken aufzufüllen.
Zu berücksichtigende Einzelfallumstände könnten vor allem auch das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung sein. Eine kumulative Berücksichtigung von Altersrente und ungeschmälertem Erwerbseinkommen bei der Bedarfsermittlung verbiete sich bereits aus § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB, weil dieses höhere Niveau nicht mehr von der Teilnahme an den ehelichen Lebensverhältnissen gedeckt sei.
Hinweis
Ist der Unterhaltspflichtige über die Regelaltersgrenze hinaus noch erwerbstätig, muss hinsichtlich der Einbeziehung der Einkünfte aus dieser Tätigkeit detaillierter Sachvortrag erfolgen.
Grundsätzlich ist bei Selbständigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit überobligatorisch mit der Folge, dass gemäß § 242 BGB unter Berücksichtigung des § 1577 Abs. 2 BGB das Einkommen grundsätzlich anrechnungsfrei bleibt. Ob es ganz oder teilweise bei der Einkommensermittlung einzubeziehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Schon aus diesem Grunde ist von beiden Seiten detaillierter Vortrag erforderlich.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 12.01.2011, XII ZR 83/08