Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war der von den Kindern aus einer geschiedenen Ehe gegenüber ihrem Vater geltend gemachte Sonderbedarf für die Kosten einer Konfirmationsfeier bzw. die Kosten einer Konfirmandenfahrt. Es ging um die Frage, wann ein unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf vorliegt und welche Kriterien hierfür aufzustellen sind.
Sachverhalt
Zwei minderjährige Kinder aus der geschiedenen Ehe des Beklagten nahmen ihren Vater auf Zahlung von Sonderbedarf in Anspruch. Der von ihm zu leistende Barunterhalt für beide Kinder war tituliert. Insoweit hatte der Beklagte Verpflichtungserklärungen vor dem Jugendamt abgegeben.
Der Kläger zu 1) verlangte von seinem Vater Erstattung der Kosten seiner Konfirmationsfeier im Jahre 2000 i.H.v. 361,00 EUR, der Kläger zu 2) machte die Kosten einer Konfirmandenfahrt im Jahre 2001 i.H.v. 150,00 EUR geltend.
Die Kläger hatten zunächst Erstattung weiterer diverser Beträge als Sonderbedarf begehrt und letztendlich ihre Klage nur in dem genannten Umfang erhoben, da ihnen lediglich insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden war.
Das erstinstanzliche Urteil gab der Klage in vollem Umfang statt. Die Berufung des Beklagten hiergegen blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgte er sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Die Revision zum BGH war erfolgreich.
Entscheidung
Nach Auffassung des XII. Zivilsenats waren die von den Klägern geltend gemachten Konfirmationskosten nicht als Sonderbedarf zu qualifizieren. Ein solcher liege nur dann vor, wenn der Bedarf plötzlich auftrete und in der Höhe nicht abschätzbar gewesen sei.
Dieses Ergebnis folge aus dem Sinn und Zweck des § 1613 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift räume dem Schutz des Schuldners vor Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht mehr rechnen musste, Vorrang vor den Interessen des Unterhaltsgläubigers ein, der seinen Bedarf vorausschauend kalkulieren könne. Es sei ihm daher auch möglich, diesen Bedarf ggf. als Mehrbedarf geltend zu machen. Der monatlich geschuldete Unterhalt umfasse regelmäßig den gesamten Lebensbedarf des Gläubigers, § 1610 Abs. 2 BGB. Sinn und Zweck der Möglichkeit der Geltendmachung von Sonderbedarf sei lediglich, die rückwirkende Geltendmachung von überraschend entstandenem außergewöhnlich hohem Bedarf zu ermöglichen. Hierbei komme es nicht auf die Einkommensverhältnisse im Einzelfall an. Auch ein besonders hoher Bedarf, der vorhersehbar war, stelle daher keinen Sonderbedarf dar. In einem solchen Fall müsse der Unterhaltsgläubiger zunächst Rücklagen aus dem laufenden Unterhalt bilden. Auch wenn dies nicht möglich sei, weil die laufenden Unterhaltszahlungen lediglich den notwendigen Bedarf abdecken, sei ein Anspruch auf Sonderbedarf ausgeschlossen, da die Möglichkeit bestanden hätte, diesen als laufenden Unterhalt geltend zu machen.
Der BGH ließ letztendlich offen, ob die geltend gemachten Konfirmationskosten von 361,00 EUR und 150,00 EUR pro Kind im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Parteien so gering waren, dass sie aus dem laufenden Unterhalt hätten finanziert werden müssen, da die geltend gemachten Positionen für die Gläubiger jedenfalls absehbar waren und damit hätten angespart werden müssen.
Hinweis
In seiner Entscheidung setzt sich der BGH mit den unterschiedlichen Meinungen in Rechtsprechung und Schrifttum auseinander und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest: Sonderbedarf sei nur dann anzunehmen, wenn es sich um einen Bedarf handele, der überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar auftritt und aus diesem Grunde bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht berücksichtigt werden konnte. Für die Frage, wann ein in diesem Sinne unregelmäßiger Bedarf außergewöhnlich hoch ist, kommt es primär auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch auf die Höhe der laufenden Unterhaltszahlungen an.
Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, wie im Falle unregelmäßigen vorhersehbaren Bedarfs zu verfahren ist. Zunächst sei der Gläubiger gehalten, diesen aus den laufenden Unterhaltszahlungen anzusparen. Hierbei lässt der BGH offen, welche Rücklagenquote zumutbar ist.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 15.02.2006, XII ZR 4/04