Leitsatz

Ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger darf Unterhaltsleistungen an seine in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnende Ehefrau nicht als Sonderausgaben abziehen, wenn der Unterhalt bei der Ehefrau steuerfrei ist.

 

Sachverhalt

Der Ehemann besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, wohnt in Deutschland und zahlt an seine in Österreich wohnende geschiedene Ehefrau Unterhalt. Die Unterhaltszahlungen machte er als Sonderausgaben geltend. Nach österreichischem Steuerrecht sind die Unterhaltszahlungen bereits dem Grunde nach nicht steuerbar und auch nicht abzugsfähig. Der Ehemann streitet vor dem BFH um den Abzug seiner Unterhaltsleistungen mit der Argumentation, die deutsche Regelung sei mit den Art. 12 EG und 18 EG unvereinbar. Der BFH rief unter dem Aktenzeichen XI R 5/02 den EuGH zu einer Vorabentscheidung an. Dieser entschied nun wie folgt:

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten bis zu einem bestimmten Betrag als Sonderausgabe abgezogen werden. Korrespondierend versteuert der Unterhaltsempfänger diese Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG, wobei es für den Sonderausgabenabzug nicht darauf ankommt, dass die Unterhaltszahlungen beim Empfänger tatsächlich zu einer Steuer führt. Wohnt der Empfänger hingegen in einem anderen Mitgliedstaat der EU, darf im Inland der Sonderausgabenabzug nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG nur vorgenommen werden, wenn die Besteuerung beim Empfänger durch eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob mit dieser nationalen Regelung das Diskriminierungsverbot der EG oder das Recht auf freie Wohnsitznahme verletzt wird. Beides verneinte der EuGH.

Eine diskriminierende Behandlung liegt deshalb nicht vor, weil die Unterhaltszahlungen an einen Empfänger in Deutschland nicht mit einem Empfänger in Österreich verglichen werden können. Denn die unterschiedliche Besteuerung in den einzelnen Mitgliedstaaten trifft alle Personen und erfolgt nach objektiven Kriterien und ungeachtet der Staatsangehörigkeit. Hierin ist keine Ungleichbehandlung zu sehen. Sie ergibt sich auch nicht aus der Nichtbesteuerung von Unterhaltszahlungen in Deutschland und der in Österreich, weil die Nichtversteuerung in Deutschland von der Höhe der Unterhaltszahlungen abhängt, während in Österreich eine generelle Steuerfreiheit besteht. Der EuGH entschied nicht, ob eine Diskriminierung vorliegen kann, wenn der Unterhalt an einen Empfänger in einem Mitgliedstaat gezahlt wird, in dem Unterhaltsleistungen steuerpflichtig sind.

Das Recht auf freie Wohnsitznahme sah der Ehemann deshalb verletzt, weil die Nichtabziehbarkeit von Unterhaltsleistungen beim Ehemann auf die nach Österreich umzugsbereite Ehefrau einen Druck ausüben könnte, Deutschland nicht zu verlassen. Dem entgegnete der EuGH, dass die Übersiedlung seiner früheren Ehefrau nach Österreich zwar nachteilige steuerliche Folgen für ihn habe, doch der EG-Vertrag garantiert keine steuerliche Neutralität, wenn Tätigkeiten oder Zahlungen in einen anderen Mitgliedsstaat verlagert werden.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 12.7.2005, C – 403/03.

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